Montag war allgemeiner Abreisetag, und das Camp leerte sich kontinuierlich. Wir ließen uns Zeit. Ich war bereits früh auf und schnappte mir mein Fahrrad, um beim Bäcker im Ort frisches Brot zu holen, als ich die große Überraschung erlebte: das trockene Flussbett des Draa war gerade dabei, sich mit Wasser zu füllen. Die erste Flutwelle war wohl vor kaum 30 Minuten an der Brücke eingetroffen, ein unglaublicher Anblick in der Morgensonne. Der Chef des Hotels und einige Mitarbeiter standen vor dem Tor und sahen dem Spektakel mit strahlenden Gesichtern zu. Ähnlich erging es mir dann auch im Ort. Strahlende Gesichter überall. Da wird einem erst richtig bewusst, welche Rolle das Wasser im Leben der Menschen hier spielt. Hat der Fluss einmal richtig Wasser, ist das Leben für mehrere Jahre gesichert.
Nach vielen Verabschiedungen verließen wir als eines der letzten Autos das „Hamada du Draa“. In den nächsten Monaten wird es hier ruhiger werden, bis mit Ende der großen Hitze im September die nächste Touristensaison beginnt.
Wir fahren zurück Richtung Norden.
In Tamegroute machen wir Mittagspause, und ich besuche die Handschriftenbibliothek der Sufi Bruderschaft der Nasiriyya.
Dann geht es weiter nach Zagora. Wir fahren einmal hinüber auf die andere Seite des Draa, um zu sehen wieviel Wasser er hier führt. Dann geht es weiter in Richtung Tazzarine.
Nach einer Woche unter Menschen steht uns der Sinn nach einem einsamen Platz irgendwo abseits der Straße. Ein paar Kilometer vor der Stadt finden wir einen schönen Platz unter einer Schirmakazie.Ein netter junger Mann, der in der Nähe wohnt, besucht uns und schenkt uns Möhren und Zwiebeln aus seinem Garten. Er warnt uns vor wilden Hunden in der Gegend und gibt uns seine Telefonnummer, damit wir ihn anrufen können, falls wir Probleme haben.
Wir schlafen tief und fest und hören nichts von den Hunden. Am nächsten Morgen fahren wir ein paar Kilometer weiter zu einer Tankstelle, wo wir nach dem Tanken unser Auto stehen lassen, um mit den Fahrrädern einen Ausflug in ein Tal in den 10km entfernten Bergen zu machen. Dort treffen wir auf eine Gruppe Franzosen, die mit ihren Geländefahrzeuge gerade eine Pause machen und uns auf einen Kaffee einladen, was wir dankend annehmen.
Als wir weiterfahren wollen, merke ich, daß das Hinterrad meines Fahrrads platt ist. Ich hätte mir keinen besseren Ort für eine Panne aussuchen können, denn die Männer helfen sofort. Wir finden nur einen winzigen Dorn, den wir herausziehen. Mit ihrem Kompressor ist das Rad schnell wieder aufgepumpt und scheint die Luft auch zu halten. Trotzdem fahren wir nur noch ein Stückchen weiter, bevor wir sicherheitshalber kehrt machen.
Bis zurück zum Auto hält der Reifen durch. Eine Reifenreparatur in der Mittagssonne ersparen wir uns und fahren weiter nach Tazzerine, wo wir uns in einem Lokal an der Straße ein Mittagessen gönnen.Gut gesättigt verlockt uns kaum 30km weiter die Landschaft zum Verlassen der Straße für eine Siesta. Der Platz, den wir finden gefällt uns so gut, dass wir beschließen für die Nacht hier zu bleiben.
Eigentlich wollten wir nach dem Frühstück gleich weiterfahren, aber beim Packen bemerke ich, dass mein Fahrrad über Nacht wieder alle Luft aus dem Hinterrad verloren hat. So können wir es auf dem Fahrradträger nicht transportieren, ohne den Reifen völlig zu zerstören. Also beschließen wir den ruhigen Platz zu nutzen, um den Reifen richtig zu flicken.Kaum habe ich angefangen, tauchen zwei Jungen von vielleicht 13 und 15 Jahren auf ihren Fahrrädern auf und bestehen darauf, mir zu helfen. Gemeinsam schaffen wir es, das Löchlein im Schlauch zu finden und zu flicken. Dabei muss ich höllisch aufpassen, dass sie mir in ihrem Eifer nichts kaputtmachen.
Zur Belohnung darf jeder mal eine Runde mit dem reparierten Fahrrad drehen und sie können garnicht genug davon bekommen. Stolz und glücklich ziehen sie schließlich wieder ab, jeder um 10 Dirham (etwa 1€) und ein paar Bananen reicher. Auch wir packen unsere Sachen, laden die Fahrräder auf und fahren los.
Etwa 40km geht es durch eine einsame afrikanische Steppenlandschaft, dann erreichen wir den Verkehrsknoten der Oase Alnif. Früher war hier wahrscheinlich eine Kreuzung von Karawanenwegen, heute treffen hier zwei Nationalstraßen aufeinander, und es ist Markttag. Entsprechend belebt ist der Ort. Natürlich lassen wir uns die Gelegenheit nicht entgehen, frisches Obst und Gemüse einzukaufen und dann bei einem Tee aus einer schattigen Ecke heraus das Marktleben zu beobachten.
Auf der weiteren Fahrt nach Norden wird die Landschaft abwechslungsreicher. Im Hintergrund tauchen die Berge des hohen Atlas auf, teilweise noch schneebedeckt.
Immer wieder gibt es Oasen, die vom Südhang des Atlas mit Wasser versorgt werden. Schließlich stoßen wir auf die von Westen nach Osten verlaufende „Straße der Kasbahs“, die die Oasen an den Ausgängen der berühmten Schluchten des hohen Atlas verbindet und folgen ihr Richtung Westen zur Stadt Tinghir. Der aus einer schmalen Schlucht kommende Fluss Oued Todra hat hier am Fuß des Atlas ein Tal in den Wüstenboden gegraben , das vollständig von einer großen Palmenoase ausgefüllt wird. An ihren Rändern breitet sich die Stadt Tinghir aus, touristisches Zentrum für Ausflüge in die berühmte Todra-Schlucht, für Wander- und Klettertouren.
Wir waren zuletzt vor über 10 Jahren hier und erkennen die Stadt kaum wieder. Durch das Zentrum führt eine breite Straße mit vielen neuen mehrgeschossigen Häusern und Cafés und Restaurants überall. Wir halten uns nur kurz im Stadtzentrum auf, um an einem Geldautomaten unsere Bargeldreserven aufzufrischen. Dann biegen wir von der Hauptstraße ab, denn wir wollen in den nächsten Tagen durch die Todra-Schlucht hinauf in den Hohen Atlas fahren.
Die schmale Straße am Rande der immer enger werdenden Schlucht ist dicht bebaut mit kleinen Hotels. Sogar zwei Stellplätze für Wohnmobile gibt es. Auf einem davon finden wir mit etwas Überredung noch einen Platz für unser Auto und können noch mal duschen, Abwasser entsorgen und Trinkwasser auffüllen, bevor wir in die Berge aufbrechen.
Das Wasser ist eben überall lebensnotwendig. Auch in Berlin hat es erfreulicherweise seit Monaten endlich mal GEREGNET…….die Natur tankt auf. So auch in Marokko bei Euch. Gute Fahrt Euch zweien.