Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, denn ich will mit dem Fahrrad einmal durch die Engstelle der Schlucht fahren, solange noch keine Touristen da sind. Es ist noch ziemlich kalt, aber ich genieße die Fahrt trotzdem. In der Schlucht sind ein paar Souvenirhändler schon wach und fangen an, ihre Stände aufzubauen, ansonsten habe ich die Straße für mich.
Ein paar Stunden später, als wir mit dem Auto hindurch fahren, sieht es ganz anders aus. Die Schlucht ist verstopft mit Autos, denn jeder will anhalten und ein paar Fotos machen. Dazwischen Reisebusse, die Touristengruppen mitten in der Schlucht absetzen.
Etwa 800Meter lang ist die Engstelle, und der größte Trubel findet auf den ersten 400m statt. Dann wird es schnell ruhiger. Am anderen Ende der Engstelle gibt es einen Parkplatz, auf dem viele Camper übernachten. Hier können auch die Busse wenden, denn weiter durch die Schlucht fährt kaum jemand. Wir nutzen den Platz für ein verspätetes Frühstück in der Sonne und kommen ins Gespräch mit einem jungen Paar, das in ihrem Allrad-LKW lebt und gerade in Gambia, Senegal und Mauretanien unterwegs war. Sie gehören zu den Menschen, die es geschafft haben, Beruf und Reisen miteinander zu verbinden, und die man hier in Marokko öfters trifft.
Ab hier wird die Straße deutlich einsamer. Wir treffen noch auf eine Gruppe Steilwandkletterer und auf eine Ziegenherde, die ihnen beim Klettern Konkurrenz macht, dann windet sich die Strasse hinaus aus der Schlucht.
Den Grund sehen wir, als wir oben ankommen. Ein riesiger Staudamm wurde hier in den letzten Jahren gebaut, der die Schlucht völlig abriegelt und damit die Stadt Tinghir vor zukünftigen Flutkatastrophen schützt und gleichzeitig eine kontrollierte Wasserversorgung der Oase sicherstellt.
In Tamtetoucht, dem ersten Bergort oberhalb der Schlucht, machen wir halt an einem kleinen Gasthaus. Wir bestellen Kaffee und Omelett und staunen mal wieder nicht schlecht, was der Gastwirt da in seiner kleinen Küche für uns gezaubert hat.Als Krönung gibt es noch einen Nachtischteller mit Zimtorangen, Bananen und Yoghurt.
Nachdem wir das Essen gebührend gelobt haben, fragen wir ihn, seit wann es denn die Straße gibt. Er erzählt, dass die Straße 2020 ausgebaut wurde und viele Veränderungen für die Menschen gebracht hat. Mit der Straße kamen Elektrizität und Mobilfunkanschluss und das habe das Leben der Menschen nicht nur zum Guten verändert.
Hier im Quellgebiet des Oued Todra gibt es Wasser genug, die Landschaft ist grün und die Menschen leben von der Landwirtschaft.
Bald darauf überqueren wir den ersten Pass. Auf 2650m sind wir bis dahin geklettert und wir werden erst auf der Nordseite des Atlas wieder unter 2000m kommen.
Hier oben wirken die Dörfer noch sehr archaisch. Vom steigenden Wohlstand zeugen nur die allgegenwärtigen Solarpanels und Satelittenantennen auf fast jeder Lehmhütte.
Auf den Bergen wächst kein Baum und kein Strauch, nur an den Orten in den Tälern wird etwas Landwirtschaft betrieben. Immer wieder müssen wir Furten durchqueren und sind froh, dass wir problemlos durchkommen. Noch vor einer Woche wäre das wegen der starken Regenfälle nicht möglich gewesen.
Der Ort Imilchil enttäuscht uns. Er wirkt sehr chaotisch und touristisch und bietet uns keinen Grund zum Anhalten. So fahren wir weiter zum ein paar Kilometer entfernten Bergsee Lac Tislit und finden einen ruhigen Platz am Ufer des Sees.
In der Nacht fällt das Thermometer auf 2 Grad und wir packen alle Decken aus, die wir dabei haben. Morgens werfen wir erstmals vor dem Aufstehen unsere Heizung an. Die Sonne hilft mit, das Auto schnell aufzuwärmen und selbst draußen steigen die Temperaturen schnell auf etwa 18 Grad. Der Platz gefällt uns, und wir beschließen einen Tag hier zu bleiben und machen eine Radtour zu einem 8 Kilometer entfernten zweiten noch etwas größeren Bergsee. .Das Tal mit den beiden Seen ist ein Naturschutzgebiet. Der Staat hat sich viel Mühe gegeben, an beiden Seen Picknickplätze einzurichten. Aber alles wirkt, wie nicht ganz fertiggestellt und dann sich selbst überlassen. Auf unserer Radtour treffen wir auf mehrere große Schafherden und abends kommen sie an den See zum Trinken. Das spärliche Grün zwingt sie offenbar, ständig unterwegs zu sein, um satt zu werden.
Abends bekommen wir Besuch von einem Mann auf dem Moped, der uns erklärt, dass wir hier kostenlos übernachten dürften, er aber unsere Pässe und unser Fahrzeugkennzeichen fotografieren muß. Dann wünscht er uns eine gute Nacht und verschwindet.
Grade habe ich mit eure Bilder nochmal „in groß“ angesehen….viele sind beeindruckend und wecken Reiselust in mir, die ich hier in Langlingen festsitze.
Ein kleiner Trost : die Nachtigall, die hier in meinem Garten tagundnacht trällert.
Bis bald, liebe Grüße, Ulrike