Nur wenige hundert Meter von unserem Stellplatz entfernt liegt zwischen dem kleinen Wüstenort und den Sanddünen ein kleiner Oasengarten, vielleicht 1km lang und 150m breit. Eine alte Lehmmauer auf der Dünenseite soll ihn vor dem wandernden Sand schützen. Ein Kampf, der nur schwer zu gewinnen ist, denn die Sanddünen haben die Mauer bereits teilweise unter sich begraben und ihre Ausläufer verschütten Felder und Bewässerungsgräben. Wasser aus dem Sand weiterlesen
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Zweiter Anlauf nach Figuig
Nach 4 faulen Tagen in den Sanddünen des Erg Chebbi beschlossen wir, einen zweiten Versuch zu starten, doch noch in die Oase Figuig zu kommen. Im Prinzip bedeutete das, die gleiche Strecke, die wir gekommen waren, erst einmal etwa 350km zurückzufahren, bevor wir wieder Neuland erkunden konnten. In Rissani machten wir einen kurzen Zwischenstop, um unsere Vorräte aufzufüllen, Geld abzuheben, zu tanken und mal wieder in einem Café zu sitzen und Leute zu beobachten. Zweiter Anlauf nach Figuig weiterlesen
Die Oase Figuig
Vier Tage sind wir jetzt hier in der Oase Figuig. Erste Bilder habe ich gleich am zweiten Tag gepostet. Dass Figuig eine eigene Galerie braucht, war da bereits klar. Nur an einen Text habe ich mich bisher noch nicht herangetraut, aber jetzt ist es Zeit dafür.
Wir haben einen ganz schönen Platz im Garten des bisher noch einzigen Hotels in der Oase gefunden. Das Hotel stammt noch aus der Kolonialzeit und liegt am Rande des „modernen“ Figuig, direkt an einer Abbruchkante. Von hier hat man einen herrlichen Blick über die Oasengärten bis zu den Bergen, die die Grenze zu Algerien bilden. Figuig ist eigentlich kein Ort, sondern eher ein Bezirk und besteht aus vielen alten sogenannten Ksour, zwischen denen, entlang der Straße, ein modernerer Verwaltungsort entstanden ist. Die Oase Figuig weiterlesen
Der östlichste Punkt Marokkos
Nach den Erlebnissen von Iris und Maik (siehe Kommentar zu ‚zweiter Anlauf nach Figuig‘) war klar, dass wir nicht über die direkte Piste nach إيس (Iche) fahren, sondern lieber etwa 100km Umweg in Kauf nehmen und auf der befestigten Strasse bleiben. So ging es wieder 80km zurück Richtung Bouarfa, bis zu der Stelle, wo eine schmale Straße nach Osten abzweigt.Nachdem wir uns in Figuig mit frischem Brot, genug Wasser und Cola eingedeckt hatten, war aber erst einmal eine ausgiebige Frühstückspause an dem schönen Picknickplatz angesagt, den wir auf dem Hinweg bereits besucht hatten. Hier konnte Merlin sich noch einmal austoben und baden, während wir unser Frühstück unter Palmen genossen.
Dieses Mal waren wir nicht alleine hier. Eine marokkanische Familie richtete sich etwas entfernt zwischen den Oleanderbüschen zum Picknick ein.Dann ging es auf die einsame Strasse nach Iche. 80km nur Sand und Steine, in der Ferne manchmal ein paar Nomadenzelte und ein paar Bauarbeiter beim Reparieren der Strasse. Insgesamt begegneten uns keine 10 Autos. Woher sollten sie auch kommen. Iche besteht nur aus einem Militärposten, ein paar neueren Häusern und dem alten Ksar an der kleinen Oase. Früher war hier ein wichtiger Durchgangspunkt, an dem Karawanen Rast machten und ihre Wasservorräte auffüllten. Da direkt hinter den letzten Häusern der Oase Algerien beginnt, ist heute die kleine Strasse die einzige Verbindung zum Rest der Welt.
An einem Brunnen etwas abseits der Strasse trafen wir auf 2 Hirten mit einer großen Herde Schafe und Ziegen. Als wir anhielten, antworteten sie freundlich auf unseren Gruß, hielten aber Abstand und zogen weiter. Ob sie sowieso gerade aufbrechen wollten oder wir sie vertrieben haben, blieb unklar.Etwa 30km vor Iche rücken die Berge mit teilweise bizarren Felsformationen näher und die Landschaft wird abwechslungsreicher. Hier wollten wir für die Nacht bleiben, denn in Iche darf man nur auf dem Parkplatz vor dem Militärposten übernachten, und das war nicht nach unserem Geschmack. An einem kleinen Fluß, der sogar etwas Wasser führte, fanden wir einen schönen Platz abseits der Strasse. Am Flußufer gab es sogar eine Quelle, die im Laufe des Abends mehrfach von Nomaden mit ihren Esel besucht wurde, um Trinkwasser zu holen. Als es bereits dunkel war, wurden wir von ein paar Männern gestört, die mit Taschenlampe an unserem Auto auftauchten. Sie wollten aber nur wissen, ob bei uns alles o.k. ist und ließen uns dann unbehelligt hier stehen. Dann hatten wir Ruhe, bis morgens um 8 Uhr eine Militärstreife auftauchte. Dieses Mal wollten sie unsere Pässe sehen, notierten unsere Personaldaten und fragten nach unserem Reiseziel. Danach verabschiedeten sie sich höflich unter mehrfacher Entschuldigung für die Störung.
Nach dem Frühstück legten wir die letzten 20km nach Iche ohne weitere Störung zurück. Keine Strassenkontrolle, kein Militärposten am Ortseingang.
Vom Parkplatz am Ortseingang geht es direkt hinein in den alten Ksar und von dort hinunter in die Gärten. Gärten und Ksar liegen in einem schmalen Tal mit teilweise steil ausgewaschenen Wänden. Etwas höher liegend gibt es einen neuen Ortsteil mit dem Militärposten, einer Schule, einem winzigen Krankenhaus, einem kleinen Hotel und ein paar Häusern. Wir konnten ungestört durch die Gärten und den Ksar laufen, wurden aber mehrfach darauf hingewiesen, uns nicht weit von Ort zu entfernen, denn die umliegenden Berge gehören bereits zu Algerien und eine sichtbare Grenze oder einen Zaun gibt es nicht.Der Ort wirkt ziemlich leer. Die Gärten können nicht alle Bewohner ernähren, sodaß viele Männer ihren Lebensunterhalt in entfernten Städten verdienen müssen. Zwei Jungen begleiteten uns neugierig durch die Gärten bis zu einem kleinen Staubecken am Eingang des Tals. Ein kleiner Fluß wird hier aufgestaut und versorgt die durch die Gärten fließenden Bewässerungskanäle. Mit der Zeit wurden die Jungen zutraulicher, fingen kleine Fische in den Kanälen mit einer abgeschnittenen Plastikflasche und versuchten unser Arabisch aufzubessern, indem sie auf alle möglichen Dinge deuteten und sie auf arabisch benannten.Auf dem Rückweg durch den Ksar zu unserem Auto wurden wir dann doch von ein paar Soldaten nach unseren Papieren gefragt. Unsere Anwesenheit hatte sich offenbar herumgesprochen. Unsere Erklärung, dass wir abends den Ort verlassen würden, um wieder an der 20km entfernten Quelle zu übernachten, wurde anstandslos akzeptiert.
Nachdem wir nun offiziell registriert waren, hofften wir dieses Mal auf eine ungestörte Nachtruhe.
Es kam aber ganz anders: gegen 22 Uhr tauchte wieder eine Militärstreife auf und weckte uns. Dieses Mal war ein energischer Offizier dabei, der erklärte, wir dürften hier nicht übernachten, das sei viel zu gefährlich. Wir sollten sofort entweder zurück nach Iche fahren, oder in die etwa 80km entfernte nächst Stadt Bouarfa. Nur dort seien wir sicher. Ich versuchte noch zu argumentieren, hatte aber keinen Erfolg. Also packten wir im Dunklen unsere Sachen und fuhren ab Richtung Bouarfa, denn wieder nach Iche zurückfahren, kam für uns nicht in Frage. Die ersten Kilometer wurden wir eskortiert, aber offensichtlich hatten sie keine Lust bis nach Bouarfa zu fahren und gaben bald auf. Glücklicherweise war fast Vollmond, sodaß wir einigermaßen sehen konnten und 10 km weiter einen ebenen Platz mit festem Boden, etwas abseits der Strasse fanden, wo wir erneut uns Lager aufschlugen. Dieses Mal blieben wir wirklich ungestört. Offenbar waren wir weit genug von der Grenze entfernt, außerhalb des Aktionsradius der Militärkontrollen.
Frühstück bei der Familie von Abdelgani Jemfi
222km in nordwestlicher Richtung liegen hinter uns, als wir am nächsten Abend in 1300m Höhe auf dem weiten ‚Plateau du Rekkam‘ die Strasse verlassen, um abseits einen ruhigen Übernachtungsplatz zu finden. Soweit das Auge reicht nur Sand und Steine. Am Horizont vielleicht ein paar Hütten oder Zelte. Eigentlich ganz ähnlich wie der Platz, an dem wir am Morgen nach unserem nächtlichen Umzug aufgewacht waren. Die ersten 120km waren uns ja bereits vom Hinweg bekannt. Allerdings hatten wir dieses Mal das Glück, dass uns mehrfach Dornschwanzagamen über den Weg liefen. Offenbar hatten sie sich in der Morgensonne auf der Strasse aufgewärmt, huschten aber schnell davon, wenn wir uns näherten. Mehrfach hielten wir an, um eine fotografieren zu können, aber immer waren sie spurlos verschwunden, bis ich mit der Kamera bereit war. Beim 3. Versuch hatte ich etwas mehr Glück. Eine Dornschwanzagame hatte sich in der Größe ihres Unterschlupfs verschätzt, sodaß der Schwanz und eine Kralle noch herausschauten. Immerhin können diese Echsen bis zu 45cm lang werden.Im recht trostlosen Tendrara versorgten wir uns mit Diesel, Gemüse und Brot. Eigentlich wollten wir uns noch einen Kaffee gönnen, aber Kaffee gab es nicht. So mußten wir uns mit einem Tee begnügen, bevor wir die bekannte Strasse verließen und hinauf auf das menschenleere Plateau du Rekkam fuhren. Damit uns auf der Fahrt durch die Ödnis nicht langweilig wurde, unterhielt uns das Wetter mit dramatischen Wolken, heftigen Regenfällen und sogar Hagel. Das Thermometer hielt mit und stürzte wieder auf einstellige Werte. Weiter im Westen klarte es dann wieder etwas auf. Hier war der Boden trocken, Grundvoraussetzung um die Strasse zu verlassen, ohne im zu Schlamm gewordenen Wüstenboden stecken zu bleiben. Eine, der normalerweise trockenen Furten, die wir passieren mußten, hätte uns fast zum Problem werden können, denn wider Erwarten tauchten wir mit einer kräftigen Bugwelle ziemlich tief ein, als wir vorsichtig hindurchfahren wollten. Glücklicherweise gab es im Wasser keine unerwarteten Hindernisse und auch der Motor blieb nicht stehen, sodaß wir heil auf der anderen Seite ankamen. Etwas weiter fanden wir dann eine Möglichkeit, auf eine Piste abzubiegen um den bereits erwähnten Übernachtungsplatz anzusteuern.
Wir hatten uns gerade häuslich eingerichtet und waren am Kochen, als aus dem Nichts ein älterer Mann auftauchte und uns freundlich ansprach. Leider konnten wir uns überhaupt nicht verständigen und so blieb ungeklärt, was er gewollt hatte, als er wieder in der Abenddämmerung verschwand. Etwa 1 Stunde später bekamen wir im Dunklen wieder Besuch, diesmal von einem jüngeren Mann, der etwas Französisch konnte. Schnell klärte sich, dass er der Sohn des ersten Besuchers war und im Auftrag seiner Eltern gekommen war, um uns für die Nacht zu seiner Familie einzuladen, die gut 1km weiter im Nichts wohnte. Wir lehnten dankend ab. Im Dunklen auf unbekannter Piste weiter weg von der Strasse zu fahren, war viel zu riskant, und eigentlich wollten wir auch nur noch unsere Ruhe haben. Er blieb aber hartnäckig und ließ sich nicht abweisen. Erst als wir ihm fest versprachen, seine Familie am Morgen zu besuchen, bevor wir weiter fahren, verabschiedete er sich.
Das Wetter reizte nicht zum frühen Aufstehen, und als wir gegen 9 Uhr aus dem Auto krochen, stand Abdelgani bereits bereit, um uns zu seinem Haus zu führen. In seinen langen Wollmantel mit Kapuze gehüllt, wartete er in höflichem Abstand. Merlin war begeistert von dem Morgenspaziergang, insbesondere, da er bereits in der Ferne die Hunde der Familie bellen hörte.
Ein einfaches kleines Steinhaus, ein Nomadenzelt und ein aus Feldsteinen und Dornengestrüpp gebauter Pferch für die Schafe und Ziegen bildeten das Reich der Familie. Hinter dem Haus stand noch ein uralter LKW, den Abdelgani mir stolz zeigte. Seine Mutter erwartete uns bereits am Hauseingang und geleitete uns ins Innere des Hauses. Dort begrüßte uns auch sein Vater, den wir ja schon am Vorabend kennengelernt hatten.
Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man von wildfremden Mensch behandelt wird, als wäre man ein lang erwarteter Ehrengast des Hauses, dem man sich nur von seiner besten Seite zeigen will. Die besten Teegläser wurden hervorgeholt, als wir auf den uns zugewiesenen Kissen Platz genommen hatten. Zum Tee wurden Erdnüsse und Mandeln gereicht. Der Fernseher in der Ecke und die zwei Glühbirnen an der Wand waren gleich bei unserem Eintritt eingeschaltet worden und die Fernbedienung, gegen den Staub in eine Plastikfolie eingepackt, wurde vor uns auf dem niedrigen Tisch platziert. Das Waschzeremoniell, bei dem den Gästen aus einer Kanne warmes Wasser über einer Schüssel auf die Hände gegossen wird, kannten wir bereits von unserem Besuch bei Mohammed in Figuig. Kurze Zeit später tauchte die Mutter mit einem großen frischen Fladenbrot und einer Schale mit Ziegenbutter und Honig auf. Als wir zögerten, uns zu bedienen, schnitt der Sohn des Hauses Stücke vom Brot ab, füllte sie dick mit der Ziegenbutter und mit etwas von dem Honig und reichte sie uns.
Das Brot und der Honig waren lecker, die viele Ziegenbutter doch etwas gewöhnungsbedürftig. Das ging so weiter, bis wir energisch zeigten, dass wir wirklich satt waren und es für uns auch Zeit war, aufzubrechen, um unsere Reise fortzusetzen. Das wiederum löste bei der ganzen Familie heftigen Widerspruch aus. Wir müßten unbedingt zum Essen bleiben, dass wir eigentlich doch gerade hinter uns gebracht hatten. Mit Gesten und Geräuschen machte die Mutter uns deutlich, dass geplant war, ein Schaf zu schlachten und uns zu servieren. Glücklicherweise gelang es uns, dem Schaf dieses Schicksal zu ersparen und der Familie klar zu machen, dass wir unbedingt heute noch weiterfahren müssten. Milch und Datteln zum Abschied konnten wir aber nicht ablehnen, bevor wir aufbrachen. Selten wurden wir so herzlich verabschiedet. Carola wurde von der Mutter mehrfach gedrückt und geküßt, und selbst mich verabschiedete sie wie einen Sohn mit Kuß auf die Stirn. Ob sie sich wohl bewußt war, dass wir wahrscheinlich älter waren als sie? Als Gastgeschenk bekamen sie von uns einen Verbandskasten und ein paar Apfelsinen. Carola band der Mutter beim Abschied kurzerhand noch ihr Halstuch um, dann zogen wir zurück zum Auto, das von hier aus in der Ferne überhaupt nicht zu sehen war. Offenbar war der Vater am Abend zuvor wirklich zufällig auf uns aufmerksam geworden.