Neues aus dem Oasenexil

Nach 9 Tagen Sendepause ist es höchste Zeit für einen neuen Bericht, jetzt wo der Server wieder online ist.

An unserem Standort und unserer Situation hat sich zwar nichts verändert, aber trotzdem ist so einiges passiert. Hatten wir vor Ostern noch gehofft, dass Marokko vor Beginn des Ramadan am 23.April die Beschränkungen lockert, so wurden wir vor ein paar Tagen mit der Nachricht konfrontiert, dass die Ausgangsbeschränkungen bis zum 23.Mai, also dem Ende des Ramadans verlängert wurden. Der Luftraum und die Grenzen sollen sogar bis zum 31.5. gesperrt bleiben. Damit sind alle Hoffnungen dahin, in den nächsten Wochen auf einem regulären Weg das Land verlassen zu können. Trotzdem tauchen immer wieder Informationen auf, dass es einzelnen Fährgesellschaften gelungen ist, eine Sondererlaubnis zu erhalten, um Camper im Hafen von Tanger Med an Bord zu nehmen und nach Barcelona oder Genua zu bringen. Gerade gestern ist solch ein Schiff in Tanger Med mit 11 Stunden Verspätung gestartet, nachdem die Anlandeerlaubnis in den letzten Tagen mehrmals erteilt und wieder entzogen worden war. Für Camper, die teilweise 1000 km von Tanger entfernt stehen, ist es fast unmöglich, solch ein Schiff rechtzeitig zu erreichen. Überall gibt es Kontrollposten und das Wirrwarr von Empfehlungsschreiben der Botschaften, Ausnahmegenehmigungen und Fahrerlaubnissen der lokalen Behörden wird an jedem Kontrollpunkt anders interpretiert. Wer es zum Hafen geschafft hat, muß eine stundenlange Prozedur von Sicherheitsmaßnahmen (Abspritzen des Autos mit Desinfektionsmittel bei strömendem Regen, Röntgen des Fahrzeugs, Fiebermessen der Passagiere) über sich ergehen lassen und eine Vielzahl von Formularen der zu durchquerenden Länder ausfüllen, ohne die niemand auf das Schiff gelassen wird. Da wundert es dann nicht, dass das Schiff statt um 11:00 Uhr erst nach 21:00 Uhr den Hafen verlassen konnte, obwohl nur etwa 100 Wohnmobile es rechtzeitig zum Hafen geschafft hatten. Heute früh, als das Schiff in Barcelona ankam, berichteten Passagiere, dass niemand dort aussteigen konnte, aber sowohl Autos, als auch Fußgänger an Bord kamen, um bis Genua mitzufahren. Offenbar  wird die Einreisesperre von Spanien zur Zeit noch strikt angewendet.

Auch wir haben in den letzten Tagen verschiedene Anläufe unternommen, eine Reiseerlaubnis zu erhalten, um in kühlere Regionen zu fahren und haben uns nach möglichen alternativen Fährverbindungen nach Europa umgesehen. Vorgestern haben wir dann Tickets für die nächste mögliche Verbindung am 23.Mai nach Barcelona gebucht. Ob die Fähre tatsächlich fährt, und ob wir tatsächlich in Barcelona von Bord gehen dürfen, ist noch völlig unklar, aber ohne ein Fährticket ist es überhaupt nicht möglich, die langwierige Prozedur zum Erhalt einer Fahrerlaubnis Richtung Norden zu starten.

Unsere Versuche, aus gesundheitlichen Gründen eine Reiseerlaubnis bis nach Marrakech zu erhalten, sind bisher noch an dem dazu benötigten Empfehlungsschreiben der deutschen Botschaft gescheitert, dass seit Tagen auf sich warten lässt.

Was allen hier gestrandeten Reisenden am meisten zu schaffen macht, ist die Hilflosigkeit angesichts der unklaren Informationslage mit ständig neuen widersprüchlichen Meldungen und das Fehlen klarer Statements, warum man uns nicht einfach ausreisen läßt. Sind es die Marokkaner, die uns nicht hinaus lassen, oder sind es die europäischen Mittelmeerländer, die uns nicht hineinlassen? Offenbar können oder wollen auch die Botschaften dazu keine klaren Statements abgeben, und so sitzen sie zwischen den Stühlen, und werden  bombardiert mit Anfragen und Beschwerden der zunehmend  unruhiger werdenden Gestrandeten.

Glücklicherweise müssen wir das alles nicht alleine durchmachen. Jeder hier im Camp entwickelt seine eigenen Strategien mit der Situation umzugehen, Neuigkeiten werden ausgetauscht, man hilft sich bei der Organisation des Alltags oder trifft sich für einen Plausch.

Noch nie haben wir uns auf einer Reise in Marokko so lange an einem Ort aufgehalten. Man hat sich daran gewöhnt, dass Eindrücke immer Momentaufnahmen sind, ohne sich dessen bewußt zu werden. Mit zunehmender Vertrautheit fängt man an, die langsamen Veränderungen wahrzunehmen. Als wir hier ankamen, waren nach den Regenfällen der vorangegangenen Tage die Bewässerungskanäle voller Wasser, der Fluß breit mit kräftiger Strömung, die Palmen sahen vertrocknet aus und die meisten Gärten sahen unbenutzt aus.Inzwischen sind die Gräben trocken,und der Fluß läßt sich an vielen Stellen trockenen Fußes überqueren. Dafür sind die Gärten alle grün, überall wird Luzerne geerntet und das Getreide ist fast reif. Die vertrockneten Palmblätter werden abgeschlagen und gebündelt als Bau- oder Brennstoff abtransportiert. Hinter den vertrockneten Blättern tauchen in den Palmkronen dichte Blütenstände auf, und immer wieder sieht man Männer barfuß in den Palmen herumklettern und mit einem Wedel Pollen auf den Blütenständen zu verteilen. Oleander, Hibiskus, Granatapfel und Rosen stehen in voller Blüte und in unbenutzten Gärten steht das Gras hoch und hat dichte wollige Blütenstände ausgebildet. Seit ein paar Tagen hört man gelegentlich das dumpfe Tuck-Tuck der ersten Bewässerungspumpen, und das vorher üppig verfügbare Wasser wird jetzt sorgsam durch einzelne Kanäle in die Gärten geleitet.

So entsteht langsam ein ganz neuer Eindruck von dem alltäglichen Leben in der Oase…..

4 Gedanken zu „Neues aus dem Oasenexil

  1. Hallo ihr Lieben,
    Ich denke täglich an euch und hoffe, dass es euch unter den Bedingungen gut geht. Ihr habt ja das Talent, euch nicht unterkriegen zu lassen. Aber leicht ist die Situation nicht.
    Gut dass ihr euch mit anderen austauschen könnt.
    Liebe Grüße von Ingrid.

  2. Hallo ihr Lieben, habe mit großem Interesse und Mitgefühl die letzten Berichte verfolgt und immer der Familie vorgelesen. Fährticket am 23.5. – einerseits eine Perspektive, andererseits aber nur eine recht vage – und ein laaanger Zeitraum noch. Wir wünschen euch alles Gute und begleiten euch in Gedanken! Ganz liebe Grüße aus dem Taunus!

  3. Liebe Carola, lieber Manfred,

    wir drücken Euch die Daumen! Die vier Wochen werden auch rumgehen. – oder was meint Merlin dazu?

    Da ist es hier bei uns wohl noch komfortabel. Australien ist halt doch ein „europäisches“ Land. Wir sitzen ja auch fest und hoffen, dass wir im Laufe des Mai wieder unterwegs sein dürfen. Schaun wir mal. Wir sind auf jeden Fall noch nicht von der Polizei angehalten worden, wenn wir die 15km nach Clare fahren, um einzukaufen. Heute gab es sogar wieder Toilettenpapier 🙂 also beschweren wir uns nicht.

    Bleibt gesund, wir freuen uns immer über Eure Berichte
    Karin & Bernhard

  4. Liebe Carola und lieber Manfred! Eure Nachrichten sind immer wieder beeindruckend und tröstlich . Wie schön, das Ihr so viele gute Möglichkeiten habt. Ich habe heute mehrfach in Mails geschrieben, das ich die Warteschleifenposition immer wieder mal sehr anstrengend finde. Ihr seid ja auch in so einer Warteschleife! Ich hoffe, ihr findet weiterhin unerwartete Unterstützer , so das Ihr den Weg zur Küste gut schafft!

    Ich drücke die Daumen! Herzliche Grüße Ursel

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