Vor ein paar Tagen sind wir wegen der Hitze ins benachbarte Riad umgezogen. Das Thermometer hat die 30 Grad Marke hinter sich gelassen und marschiert unbeirrt Richtung 40 Grad. Da ist es im Auto ohne Klimaanlage nicht mehr auszuhalten. Jetzt verschläft Merlin die Tage im klimatisierten Zimmer, und auch Carola kommt tagsüber nur heraus, um ein paar Runden im Pool zu drehen. Erst abends, wenn eigentlich die Ausgangssperre beginnt und die Sonne untergegangen ist, sinkt das Thermometer unter 30 Grad und es wird draußen langsam angenehmer. Glücklicherweise haben wir gerade zunehmenden Mond, und es kümmert niemanden, wenn wir mit Merlin nach der Sperrstunde eine Abendrunde durch die Oase drehen. Die Marokkaner sind mit dem Ruf des Muezzin zum Sonnenuntergang sowieso alle Zuhause, denn endlich dürfen sie nach einem langen Fastentag essen und trinken.
Das eigentliche Leben findet jetzt in den Morgenstunden statt. Morgens um 6:00 Uhr, kurz nach Sonnenaufgang, ist es am kühlsten. Bei 20 Grad wird Merlin richtig munter und ist für ein Morgenbad sogar bereit, im Schatten der Palmen bis zu den wenigen Tümpeln zu laufen, die vom Fluss noch übrig sind. Zurück im Riad wartet im Schatten schon unser üppig gedeckter Frühstückstisch auf uns. Mit frischem Obst, exotischen selbstgemachten Marmeladen und allem, was man sich nur wünschen kann, genießen wir die angenehmen Morgenstunden, bis die Sonne gegen 11:00 Uhr die Luft wieder auf über 30 Grad erhitzt hat. Es ist schon eine absurde Situation: eigentlich Luxusurlaub pur, andererseits Stillstand der Zeit, als warte die Welt auf einen Weckruf, damit das normale Alltagsleben wieder beginnen kann.
Gestern hat die marokkanische Regierung angekündigt, dass die starken Beschränkungen des täglichen Leben, Dank der Erfolge beim Kampf gegen den Coronavirus, zum Ende des Ramadans aufgehoben werden sollen und die Menschen das dreitägige Fest des Fastenbrechens عيدالفطر( ʿĪd al-Fiṭr), trotz gewisser weiterhin bestehender Einschränkungen, gemeinsam feiern können.
Was das für uns bedeutet, ist noch nicht ganz klar: Aufhebung der Reisebeschränkungen wäre ja schon mal ein Anfang…
Die deutsche Botschaft hat sich bisher noch nicht dazu geäußert, und auch von den Fährgesellschaften gibt es dazu keine Neuigkeiten. Aber es ist ja auch Wochenende, und davor der 1. Mai… also warten alle gespannt auf den Montag!
Ein Leben außerhalb der Zeit – das passt auch hier, wenn auch in unterschiedlichem Maße – Uli arbeitet ja nahezu normal. Aber man spürt doch überall das Außergewöhnliche der Zeit, der Situation: Beim Einkauf, bei Begegnungen. Ella war heute bei uns, ihre erste Frage: „Wir müssen keinen Abstand halten, oder?“ Ansonsten sind wir zwar auch irgendwie außer der Zeit, alle scheinen auf eine Bewegung, eine Veränderung zu warten. Und bei all dem: Wir sind zu Hause, „ungefesselt“. Aber bei euch ist das ziemlich anders: Im zwar vertrauten, aber doch fremden Land, im Luxus, aber auch in Hitze, und irgendwie eingesperrt. Wir wünschen euch, dass es euch weiterhin gelingt, das Beste aus der Situation zu machen und grüßen euch herzlich aus dem recht kühlen Taunus!