In den letzten Tagen haben sich nach 6 Wochen Stillstand die Ereignisse überschlagen. Jetzt stehen wir am Stadtrand von Marrakech in einem 1,5 ha großen Park, den ein Deutscher rund um sein schlossähnliches Haus angelegt hat und müssen erst einmal Luft holen…
Aber alles der Reihe nach: nach 2 Wochen im Riad sind wir vor einer Woche wieder in das Camp zurückgekehrt. Das Wetter hatte sich etwas abgekühlt, wir hatten endlich das notwendige Schreiben der deutschen Botschaft erhalten und beim Pascha (entspricht etwa einem Bürgermeister in größeren Städten) eine Sondererlaubnis beantragt um, falls die von uns gebuchte Fähre tatsächlich fährt, rechtzeitig in den Norden aufbrechen zu können. Als dann auch meine 3. Audienz beim Pascha erfolglos blieb und wieder ein Wochenende vor der Tür stand, bot Ibrahim, Merlins neuer Freund, uns an, gemeinsam mit ihm beim Gouverneur, dem Vorgesetzten des Paschas vorstellig zu werden. Dank seiner Kontakte und Sprachkenntnisse bekamen wir die Chance, unser Anliegen samt den nötigen Kopien unserer Papiere kurzfristig beim Gouverneur einzureichen. Also schnell zurück zum Riad, Anschreiben aufsetzen, Kopien anfertigen und wieder zurück zur Residenz des Gouverneurs. Auf dem Weg dorthin passierte dann, was sonst nur in unglaubwürdigen Filmen vorkommt. Wegen der Hitze hatte ich alle Fenster geöffnet, als mitten auf der Brücke über den Drâa eine Windboe den Papierstapel auf dem Beifahrersitz erfasste und durcheinander wirbelte. Ich versuchte noch zuzupacken, aber zwei Schriftstücke entwischten durchs Fenster, segelten über das Brückengeländer und verschwanden. Ich sah mich schon zurückfahren und neue Papiere ausdrucken. Aber mit Hilfe des Polizeipostens am Ende der Brücke gelang es, die Papiere im glücklicherweise inzwischen ausgetrockneten Flussbett zu entdecken, zu bergen und rechtzeitig beim Amtssitz des Gouverneurs abzugeben.
Abends kam dann die Nachricht, dass unsere Fähre nach Barcelona gestrichen wurde und wir uns einen Gutschein für das bereits bezahlte Fährticket herunterladen dürfen. Geld zurück gibt es nicht!
Das drückte die Stimmung mal wieder auf einen Tiefpunkt!
Eine Stunde später war wieder alles anders. Die deutsche Botschaft informierte uns, dass zwei weitere Sonderfähren, organisiert unter Federführung der deutschen Botschaft, für die nächste Woche geplant sind. Eine am Di nach Genua und eine am Do nach Malaga und dass mit der marokkanischen Regierung für diese Fähren ein schnelleres Antragsverfahren für Reisegenehmigungen vereinbart wurde. Also wieder neue Hoffnung!
Am nächsten Morgen kamen per Mail neue Empfehlungsschreiben der Botschaft. Es war zwar Samstag, aber ich fuhr trotzdem mit den ausgedruckten Schreiben nach Zagora zum Büro des Pascha. Der Pascha war zwar nicht da, aber sein Assistent war über die neuen Anweisungen informiert, nahm das Schreiben entgegen und versprach, uns die Reisegenehmigung ins Camp zu bringen, sobald sie fertig ist.
Sonntag Vormittag dann die Überraschung. Plötzlich stand der Assistent des Paschas vor unserem Auto, in der Hand das langersehnte Stück Papier.
Jetzt gab es kein Halten mehr. Innerhalb einer Stunde waren wir reisefertig und verabschiedeten uns von allen, die uns in der Zeit hier ans Herz gewachsen waren. Dann ging es los. Ein komisches Gefühl wieder unterwegs zu sein. Am Ortsausgang von Zagora wurde unsere Reisegenehmigung gründlich studiert, aber dann ließ man uns passieren. 8 weitere Kontrollstellen folgten bis nach Ouazzazate. Drei Mal wurden wir durchgewunken, fünfmal angehalten. Bei den Kontrollen wurde unsere Reisegenehmigung abfotografiert, einmal von Hand abgeschrieben, und einmal wurden wir bereits mit Namen begrüßt und gefragt, ob wir nach Essaouira wollten, was uns etwas irritierte, weil auf unserer Genehmigung Tanger als Reiseziel stand. Irgend einer unserer vorangegangenen Reiseanträge, der nie bei uns als Genehmigung angekommen war, mußte es bis zu diesem Posten geschafft haben, oder der Gouverneur hatte inzwischen unsere Genehmigung an alle Posten in seinem Landesteil durchgeben lassen.An der Abzweigung Richtung Ait Benhaddou war die Hauptstrasse zwar gesperrt, aber Richtung Ait Benhaddou wurden wir durchgewunken. Der Campingplatz, den wir angerufen hatten, war völlig leer, lag aber wunderschön an einer Abbruchkante mit Blick auf die Berge des Hohen Atlas. Wir genossen die neue Freiheit bei einem Abendspaziergang durch die angenehm kühle Bergluft hinunter zum Fluß. Leider gab es kein WLAN, und unser mobiles Datenvolumen war wiedermal im unpassenden Moment aufgebraucht, sodaß wir am nächsten Morgen erst einmal nach Ait Benhaddou fahren mussten, um unsere marokkanische SIM-Karte aufzuladen und den neuesten Stand der Ereignisse abzufragen. Wir versuchten auch Colette und Michel vom Riad Ellouze (wo Carola ihren 60. Geburtstag feierte) anzurufen und einen Kurzbesuch zu vereinbaren, konnten sie aber nicht erreichen. Wahrscheinlich hatten sie das Riad geschlossen und waren noch rechtzeitig nach Frankreich gekommen.
So beschlossen wir , kehrt zu machen und dieses Mal die Hauptstrasse über den Pass nach Marrakech zu nehmen. Eine falsche Entscheidung, wie sich schnell herausstellte, denn die gesamten 180km über den Tizi N‘Tichka waren eine einzige Großbaustelle. Mit unglaublichem Aufwand war man dabei, die schmale Paßstrasse in eine moderne Verkehrsverbindung zu verwandeln. Für uns hieß das allerdings ständiges Ausweichen auf Hilfspisten, sodaß wir 8 Stunden brauchten, um hinüber zu kommen. Unser Plan, am selben Tag noch bis an die Küste zu kommen, war damit hinfällig, und so beschlossen wir, bei Familie Schatz am Rande von Marrakech Unterschlupf zu suchen. Hier wurden wir freundlich empfangen und trafen auf weitere deutsche Camper, die hier Unterschlupf gefunden haben. Rainhard Schatz ist selber begeisterter Camper und hat vor fast 30 Jahren mit seiner marokkanischen Frau Aicha begonnen, sich hier einen Traum zu erfüllen. Wer es sich leisten kann, kann jetzt seinen Urlaub in seinem, einem orientalischen Traum entsprungenen, schlossähnlichen Haus verbringen. In seinem Park hat er Platz für ca. 20 Wohnmobile geschaffen, die ebenfalls herzlich willkommen sind. Morgens werden selbstgebackene Brötchen ans Auto gebracht, dazu ein Stück Kuchen für jeden für den Nachmittagskaffee. Abends trifft man sich ungezwungen zu Tee und Keksen in der riesigen Eingangshalle. Wenn tagsüber die Hitze nicht wäre, könnte man es gut eine Weile hier aushalten.
Aber uns alle zieht es nach Hause und entsprechend geht es bei allen Gesprächen immer um dasselbe Thema.
Augenblicklich warten wir auf die finale Bestätigung, dass wir übermorgen mit der von der Botschaft organisierten Fähre nach Malaga fahren dürfen. Wenns klappt, sind wir in 1 Woche Zuhause. Drückt uns die Daumen!