Kurz vor Mirleft waren wir wieder auf den Atlantik getroffen, dem wir in den nächsten Tagen auch nicht mehr von der Seite weichen wollten. Bis hinunter zur Mündung des Draa wollten wir der Küste folgen, falls die Straßenverhältnisse uns nicht daran hindern würden. Südlich von Tan-Tan, auf der anderen Seite des Draa beginnt die ehemalige spanische Kolonie Westsahara, die 1975 mit dem „Grünen Marsch“ von Marokko friedlich besetzt wurde. Ab hier wollten wir unsere Reise Richtung Osten fortsetzen, sozusagen dem Draa flußaufwärts folgend.
Die Küste ist hier sehr abwechselungsreich: zum einen felsige Abbrüche, darunter immer wieder weite Sandstrände. Aber wie hinunterkommen? Chancen bieten die aus dem Antiatlas herunterkommenden Flüsse, die tiefe Kerben in die Steilküste gegraben haben.
Leghzira Plage nennt sich eine solche Stelle, die bei Surfern und Paraglidern beliebt ist. Man kann hier auf einer Piste ein Stück hinunterfahren, bis zu einem Parkplatz. Den Rest muss man auf Treppenstufen hinunterlaufen. Unten erwarten einen mehrere kleine Pensionen und Restaurants, die abenteuerlich in den schmalen Einschnitt in der Steilküste hineingebaut wurden. Davor ein phantastischer feinsandiger Strand, der sich endlos unterhalb der Steilküste entlangzieht. Die Erosion hat hier phantastische Gebilde entstehen lassen. Ein riesiger Torbogen mit einer Durchgangshöhe von bestimmt 10m ist sicher das Highlight. Ein kurzes Stück dahinter ist ein zweiter Bogen am 23.9 2016 eingestürzt. Ein dramatisches Ereignis, dass selbst durch die französische Presse ging. Die beiden Felsbögen waren eines der Wahrzeichen von Marokko und sind auf vielen Postkarten abgebildet.
Auch hier ist die Küste noch sehr ruhig. Die paar Menschen verlieren sich am Strand. Das liegt sicher mit am Wetter, denn obwohl die Sonne kräftig vom Himmel strahlt, ist es am Strand ziemlich kalt. Ursache ist ein kräftiger Nordwind, der den ganzen Tag über die Luft auf Temperaturen um die 15 Grad hält. Nur nachts flaut der Wind ab. Trotzdem fällt das Thermometer weiter ab, zum Teil auf Werte unter 10 Grad!
Also nichts mit lauen Abenden.
Nächster Halt ist Sidi Ifni, dass noch bis 1969 die letzte spanische Enklave an der Atlantikküste bildete. Hier gibt es einen breiten Flusseinschnitt, sodass man die Stadt teils unten am Fluss und teils oben auf der Steilküste erbaut hat.Eine breite Treppe, die den Strand mit der Stadt verbindet, der Leuchtturm und viele Gebäude erinnern noch an die spanische Vergangenheit, aber ihre große Zeit ist sicher vorbei. Der Hafen, einst einziger Versorgungsweg, verfällt, und auch viele Villen oben auf der Steilküste, das Kino und der Twist Club sind verlassen. Heute versucht die Stadt ein Comeback als Ferienort.
Bei einem Spaziergang am Strand entlang der Steilküste trafen wir auf einen Marokkaner, der sich unter einem Felsüberhang häuslich eingerichtet hatte. Neben sich einen großen Berg Strandgut und Schwemmholz aus dem er die kuriosesten Skulpturen herstellte.Er lud uns auf einen Tee ein und erzählte, dass er seit 2002 hier sitzt und arbeitet. Als wir ihn ungläubig anschauten, holte er einen Bildband hervor, der offenbar 2009 über ihn und seine Kunstwerke gemacht worden war. Wieder am Auto, schauten wir im Internet nach und fanden sogar mehrere Videos auf Youtube.
Samstag früh zog es uns weiter, denn wir wollten die Küste für ein paar Stunden verlassen ,um den wöchentlichen Markt in Guelmin zu besuchen. Es ist der größte Markt in der Region, und in früheren Zeiten, als der Karawanenweg nach Timbuktu hier durchging, war es der größte Kamelmarkt. Heute ist die Zeit der Karawanen vorbei. Aber gerade der Viehmarkt zieht noch viele Menschen aus der Westsahara an. Wir hatten Glück, denn neben Kühen, Schafen und Ziegen waren zwischen 50 und 100 Dromedare auf dem Markt, einige prächtige ausgewachsene Tiere, aber vor allem viele Jungtiere zwischen 4 und 7 Monaten. Viele der Tiere kommen aus Mauretanien und einige sogar aus Mali, wie mir ein netter wettergegerbter Händler erklärte.Wir nutzten den Markt, um uns mit frischem Gemüse, Eiern, Brot, Walnüssen, getrockneten Feigen und eingelegten Oliven zu versorgen, denn von hier aus ging es zurück an die Küste, dorthin, wo die nördlichen Ausläufer der Sahara auf den Atlantik treffen. Hier bei Echatea El Abied endet die Strasse an einer Flußmündung zwischen den Sanddünen. Damit haben wir vermutlich den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Vor einigen Jahren sollte hier ein großes Tourismusprojekt gebaut werden. Ein paar Ferienhäuser, die inzwischen von einigen Fischerfamilien bewohnt werden und die 50 km lange Asphaltstrasse, die hierher führt, sind alles, was von dem ehrgeizigen Projekt geblieben ist. Dadurch ist zumindest dieser Punkt, des sich über etwa 80km von Foum Assaka fast bis Tan Tan hinziehenden Strandes Plage Blanche, auch für nur bedingt geländegängige Fahrzeuge erreichbar.Die alte Strecke P1300, die beim Camping Sabra von der neuen Asphaltstrasse abzweigt und über Bou Jerif Richtung Foum Assaka an die Küste und dann den ganzen Plage Blanche entlang führt, ist offenbar seit längerer Zeit selbst für Allradfahrzeuge nur bedingt befahrbar.
Standen wir am Samstag abend noch alleine auf den Sanddünen über der Flussmündung, tauchten am Sonntag vormittag bei strahlendem Sonnenschein und ausnahmsweise nur leichtem Wind, nach und nach mehrere marokkanische Familien mit ihren Pickups auf und um uns herum entstanden mehrere Picknicklager. Die Sanddünen sind offenbar auch für marokkanische Kinder ein toller Spielplatz. Mit Vergnügen kletterten sie hinauf, um auf dem Po oder sogar bäuchlings wieder hinunter zu rutschen.
Während wir vor unserem Auto bei einem sich bis Mittags hinziehenden Frühstück in der Sonne saßen, kamen zwei etwa 17jährige Schülerinnen aus Guelmin und fragten Carola, ob sie Fotos machen dürften. Mit Vergnügen setzten sie sich auf unsere Stühle vor das Auto, nahmen eines der auf dem Tisch liegenden Bücher und fotografierten sich gegenseitig und mit Carola.Später beim Abfahren sahen wir sie noch einmal mit anderen Jugendlichen auf den Dünen herumtollen.
Wir wollten ausprobieren, ob wir nicht von hier aus ein Stück die alte Straße Richtung Norden am Strand entlang fahren könnten, anstatt die neue Asphaltstrasse wieder zurück zu fahren. Weit kamen wir allerdings nicht. Was auf der GPS- Karte wie eine Strasse aussah, entpuppte sich als vage Piste und führte nach ein paar Kilometern hinunter in ein morastiges Gebiet vor dem Strand. So beschlossen wir umzukehren und stattdessen einen Abstecher über die nur 9km langen Piste weiter im Inland nach Fort Bou Jerif zu machen.