Die nächsten Tage führten uns noch einmal hoch hinauf in den Antiatlas. Carola machten die steigenden Temperaturen Probleme, und wir hofften in den Bergen zumindest deutlich kühlere Nächte zu finden. Wir verließen das Drâatal Richtung Westen auf einer Nebenstrasse nach Tazenakht. Die Strasse stieg konstant auf etwa 1200m Höhe an und zog sich dann durch eine einsame kahle Bergwelt, bis wir auf die riesigen Abraumhalden einer großen Mine stießen. Neben der Mine gab es ein paar Häuser und eine große Barackensiedlung. Alles war umzäunt, und kein Schild wies darauf hin, wer hier was abbaute. Als wir ein paar Kilometer weiter für eine Rast hielten, stoppte neben uns ein PKW. Der Fahrer erzählte uns, dass er seit vielen Jahren in der Mine arbeite und dass es sich um eine große Kobaltmine handele, dass aber neben Kobalt auch Kupfer, Nickel und Silber gewonnen werde. Er hatte das Auto voll mit Mineralbrocken, anhand derer er uns erklärte, woran man die verschiedenen Erze erkennen könne. Gerne hätte er uns auch den einen oder anderen Brocken verkauft, fand aber in uns keine Kundschaft. Er erzählte auch, dass viele deutsche Ingenieure in der Mine in leitenden Positionen arbeiten. Offenbar wurden sie gut bezahlt, denn auf der weiteren Strecke bis Tazenakht kamen uns viele teure BMWs, Mercedes und Range Rover entgegen. Tazenakht liegt auf etwa 1400m Höhe und ist bekannt als Zentrum des Handels mit den typischen Berberteppichen. Hier sollte es jeden Donnerstag und/oder Freitag einen großen Woll- und Teppichsouk geben, den wir uns nicht entgehen lassen wollten. Als wir am Donnerstag Nachmittag dort eintrafen, fanden wir das neue Soukgelände vor der Stadt völlig verlassen, während im Zentrum viel Leben war. Auf dem alten Soukplatz in der Stadt waren Händler dabei, ihre Stände aufzubauen. Überhaupt war das ganze Zentrum wie ein großer Markt aufgebaut. Mehrere lange Plätze waren beidseitig gesäumt von Häuserreihen mit Arkadengängen davor, in denen sich ein Laden oder Warenlager ans Andere reihte. Die Plätze dazwischen standen voller großer alter LKWs. Die Fahrer hatten sich im Schatten der Arkaden Plätze für ihre Siesta gesucht. Offenbar war der Freitag der eigentliche Markttag, was uns allerdings schon etwas verwunderte. Da es keinen Campingplatz im Ort gab, beschlossen wir, uns außerhalb einen ruhigen Platz zu suchen und morgen früh noch einmal nach dem Markt zu schauen. Auf der Karte des GPS entdeckten wir einen kleinen Stausee ein paar Kilometer außerhalb der Stadt. Sonst gab es eigentlich nur kahle Hügel und vor allem keine Möglichkeit die asphaltierte Hauptstrasse zu verlassen. Am Stausee fanden wir eine Piste auf eine, in den See hineinragende, baumbestandene Halbinsel. Ein idealer Platz für Merlin und uns. Allerdings schien er schon länger von Marokkanern als Picknickplatz genutzt worden zu sein, wie an dem herumliegenden Müll zu sehen war.Ein weiteres Wohnmobil stand auch schon dort, und von den Besitzern erfuhren wir, dass der Platz aktuell in den einschlägigen Internetforen als neuer Geheimtip gehandelt wird. Dadurch ließen wir uns den Platz aber nicht vermiesen, sondern genossen ihn als unsere Entdeckung!Morgens ging es dann zurück nach Tazenakht, gespannt, was uns auf dem Markt erwarten würde. Groß war unser Erstaunen, die Stadt in typischer Freitagsruhe zu erleben. Die LKWs waren verschwunden, die meisten Läden zu, und auf dem Soukplatz waren nur die Händler vom Vortag zu finden. Einzig einige große Teppichhändler hatten ihre Showrooms an der Hauptstrasse geöffnet. Um sicher zu gehen, fuhren wir noch einmal hinaus zum neuen Soukgelände, fanden aber auch das wieder verlassen vor. Offenbar wurde der Markt nicht jede Woche abgehalten. So gönnten wir uns noch einen Kaffee, bevor wir uns wieder auf den Weg machten, denn wir wollten noch weiter nach Taliouine, dem Zentrum des Safranhandels. Hier im Antiatlas auf Höhen zwischen 1400m und 1800m gedeiht dieser Krokus gut und verwandelt im Oktober die Berge in ein violettes Meer. Auf dem Weg zu unserem Auto kamen wir an einem kleinen geöffneten Laden vorbei, der eine Briefwaage auf dem Tresen stehen hatte. Das konnte nur bedeuten, dass bereits hier Safran verkauft wurde. Auf unsere Frage deutete der Händler auf mehrere kleine Plastikdosen, die neben der Waage auf dem Tresen standen und mit den roten Fäden gefüllt waren. Die Verständigung über den Preis stellte sich allerdings als schwieriges Unterfangen heraus, bei dem der Verkäufer einen Preis nannte, dann aber auf seinem Taschenrechner eine komplizierte Rechnung anstellte, die ein viel höheres Ergebnis erbrachte. Nach mehrfachem Hin und Her und Vorrechnen mit Zettel und Stift, einigten wir uns schließlich und erstanden ein paar Gramm.
Die 70km nach Taliouine entpuppten sich um diese Jahreszeit als relativ öde, langsam auf 1900m ansteigende Hochebene, bevor die Strasse sich kurz vor Taliouine wieder hinunter in ein Tal windet, dass sich nach Westen in die Souss-Ebene öffnet, die sich bis nach Agadir erstreckt.
Etwa 15 km vor Taliouine machten wir noch einen kleinen Abstecher in das Dorf Ifri. Hier gibt es einen, in eine überhängende Felswand hineingebauten, alten Agadir, den wir uns anschauen wollten. Eine schmale Staubpiste führte uns durch die Gärten mitten in den Ort hinein. Glücklicherweise fanden wir mitten im Dorf einen kleinen freien Platz, wo wir unser Auto abstellen konnten, bevor wir in den immer enger werdenden Gassen steckenblieben. Von hier ging es zu Fuß weiter, mitten durch den Ort bis hinauf zu der über dem Ort aufragenden Felswand. Im Nu hatten wir eine Horde Kinder um uns, die uns bis zum Tor des Agadir begleiteten. Während wir noch unschlüssig vor dem verschlossenen Tor standen, kam eine Frau mit dem Schüssel und ließ uns ein. Die Kinderschar mußte draußen bleiben, und verlief sich auch schnell, da es jetzt nichts mehr zu sehen gab. So konnten wir in Ruhe die verschachtelten Treppen und Durchgänge erkunden, von denen überall kleine verschlossene Türen zu den Lagerräumen der einzelnen Familien abgingen. Das Ganze war zum Teil höhlenartig in den Berg, zum Teil aus Feldsteinen unter den Felsüberhang gebaut worden. Manche Türen wirkten, als seien sie überhaupt nicht mehr zu erreichen, weil Teile der Felswand weggebrochen waren. (mehr Bilder in den Galerien)
Auf dem Rückweg zum Auto blieben wir völlig unbehelligt von den Kindern, offenbar gab es irgendwo etwas Interessanteres. Zurück an der Strasse ging es in der Nachmittagssonne die letzten Kilometer hinunter nach Taliouine.Auf etwa 1000m Höhe gelegen, im Norden der Hohe Atlas mit Gipfeln bis über 4000m, im Osten und Süden der Antiatlas mit 2000m bis über 3000m hohen Gipfeln, staute sich hier wieder die Wärme, und wir waren froh, etwas außerhalb des lebendigen Ortes, einen komfortablen Campingplatz mit Schatten und Pool zu finden.
Aber ständig konnte man auch nicht im Pool bleiben, und so beschlossen wir am Ostersonntag einen Ausflug weiter hinauf in die Berge zu machen. Bis auf gut 2000m sollte es eine Asphaltstrasse geben, die in dem Bergdorf Askoun endet, das seine Existenz wahrscheinlich auch nur dem Safrananbau verdankt. Die Landschaft hier oben erinnerte uns sehr an den Himalaya, mit den kleinen Dörfern und winzigen Terassenfeldern überall dort, wo die schroffe Natur es zuließ.
Auf den Feldern war um diese Jahreszeit das Getreide gerade reif, und man sah überall die buntgekleideten Frauen auf den Feldern hockend mit einer Sichel das Getreide schneiden und bündeln. Der Transport ins Dorf ging nur zu Fuß oder auf einem Esel. Wir suchten immer nach Safranfeldern, konnten aber keine finden – wir wussten aber auch nicht so recht, wonach wir Ausschau halten sollten.Askoun bestand nur aus ein paar Häusern, einem verlassen daliegenden Soukplatz und einer staubigen Strasse, an der sich ein paar winzige Läden und Cafés aneinanderreihten. Die Vielzahl der Lokale verwunderte uns in so einem winzigen Nest. Aber offenbar war dies der Marktflecken für die Dörfer im Umkreis von 20-30km. In einem der Läden, die alle im Prinzip nur aus einem dunklen vollgepackten Raum bestanden, der zur Strasse unter einem Vordach einen ebenfalls vollgepackten Tresen aufwies, fragten wir den Händler nach Safran. Er verstand uns sofort, und holte unter dem Tresen einen kleinen Plastikeimer mit Deckel hervor und nannte auch gleich seinen festen Preis: 50DH, entsprechend etwa 5,-€ wollte er für das Gramm Safran bester Qualität aus eigenem Anbau. Inzwischen war auch der Nachbarhändler mit einer Feinwaage dazu gekommen. Als wir 2 Gramm haben wollten, holte er einen 50DH Schein und einen 20 DH Schein heraus und legte die Scheine auf die eine Waagschale. Das entspräche genau 2 Gramm erklärte er uns lachend auf unsere verständnislosen Blicke und begann die andere Waagschale mit Safranfäden zu füllen.
Da auch wir gerade kein 2 Gramm Gewicht zur Hand hatten, mussten wir ihm glauben. Von unserem ersten Safrankauf wussten wir in etwa, wieviel Safranfäden einem Gramm entsprechen, und die Menge auf der Waagschale schien uns plausibel.Es war auch nicht so wichtig, ob Menge und Preis stimmten, die Aktion an sich war den Preis wert.
Nachdem der Handel geschlossen war, verabschiedeten wir uns und suchten einen Weg zurück zu der Strasse, die wir gekommen waren. Dabei stießen wir auf eine offenbar frisch asphaltierte Strasse, wo eigentlich nur eine schwierige Piste abzweigen sollte. Die Gelegenheit, auf anderem Weg wieder hinunter ins Tal zu kommen, anstatt 50 km auf der gleichen Strasse zurück zu fahren, ließen wir nicht ungenutzt, in der Hoffnung, dass die Strasse auch tatsächlich durchgängig neu ausgebaut war. Sie war es und führte uns in vielen Serpentinen hinunter, ohne uns jedoch auch nur eine Gelegenheit zu geben, die Strasse zu verlassen, um einen Übernachtungsplatz zu suchen. Kurz bevor wir in Aoulouz wieder die Hauptstrasse erreichten, wurden wir dann mit einem wunderbaren Platz am Ufer eines großen Stausees entschädigt. Zwischen blühenden Oleanderbüschen fanden wir eine ruhige Stelle, an der auch wir uns ein Bad im klaren Wasser gönnen konnten.
Bis zum folgenden Nachmittag blieben wir hier. Für Abwechslung sorgten eine Ziegenherde, ein paar nette Mädchen mit ihrem Vater und 2 Jugendliche, die unbedingt ein Foto von sich vor dem Wohnmobil haben wollten. Dann ging’s zurück nach Taliouine.
Diesmal hielten wir in der Stadt an, bummelten die Hauptstrasse entlang und tranken einen Kaffee in einem der vielen Strassencafés, die in Marokko in keinem Ort fehlen. Für die Nacht fuhren wir dann wieder zu dem uns schon bekannten Campingplatz hinaus. Wir wollten noch eine Nacht bleiben, um am nächsten Morgen den hiesigen Souk zu besuchen, der der wichtigste Handelsplatz für den Safran aus der Region sein sollte. Vielleicht hatten wir ja dieses Mal Glück.