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Oase Tighmert

Keine 15km entfernt vom neuen Marjane Supermarkt in Guelmin, mit allem Luxus unserer modernen Gesellschaft, liegt in einer Senke in der staubigen Ebene die alte Oase Tighmert. Gespeist über Bewässerungskanäle, die an einer kleinen Staumauer etwa 3 km weiter östlich von dem kleinen Gewässer abzweigen, dass sich tief in die Ebene gegraben hat und sich in der Oase verliert. Hier merkt man nichts mehr von der nahegelegenen Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern. Kleine Lehmhäuser und winzige Gärten verstecken sich unter riesigen alten Dattelpalmen. Dazwischen ein Irrgarten von staubigen schmalen Wegen. Ein paar kleine Straßen führen hinein, verlieren sich aber schnell zwischen Palmen und Häusern. Dank GPS fanden wir mittendrin den kleinen Stellplatz Aain Nakhla recht schnell. Bevor wir uns hier häuslich einrichteten, wollten wir aber erst einmal die Umgebung erkunden, denn wir hatten von einem schönen ruhigen Platz an der Quelle der Oase gehört, wo sich mehrere große Wasserbecken befinden sollten. Das wäre doch ein guter Platz für Merlin.
Nur 2km entfernt sollte der Platz sein, also zogen wir zu Fuß los, natürlich in der prallen Mittagssonne. Nach knapp 2 km hatten wir das östliche Ende der Oase erreicht. Vor uns kilometerweit nur eine kahle braune Lehmebene, begrenzt am Horizont von mehreren Gebirgszügen. Keiner von uns verspürte Lust in der Mittagssonne da hinauszulaufen und nach irgendwelchen Quellen zu suchen. So machten wir kehrt und beschlossen die Suche bequemer am Auto per Internet und Satellitenbildern fortzusetzen. Hier klärte sich die Situation dann auf: weit und breit keine Quellen oder gefassten Wasserbecken, dafür aber das grünes Band eines kleinen Flüsschens, das irgendwo in der Ebene vor den Bergen begann und sich bis in die Oase zog. Beim Heranzoomen zeigte sich dann, dass der Fluss offenbar 3 km vor der Oase mehrmals aufgestaut war und so mehrere kleine Seen bildete. Da das schmale Flusstal einen tiefen Einschnitt in die Lehmebene gegraben hat, waren selbst die großen Palmen aus der Ebene nicht zu sehen.
Das wollten wir uns näher anschauen und so fuhren wir zur Abwechslung nach Satellitenbilder. Wir fanden sogar eine staubige Piste, die uns an unser Ziel führte und standen plötzlich an einem Steilabbruch. Unter uns lagen unter Palmen eine Reihe kleinere, von breiten Schilfgürteln umgebene Seen.Das Auto musste oben bleiben, aber wir fanden einen Weg hinunter, und so kam Merlin endlich zu seinem Bad und wir zu einem schönen Spaziergang.
Leider blies oben in der Ebene wieder ein kräftiger kalter Wind, sodass wir wegen des Staubes und der Kälte den wunderbaren Sonnenuntergang nur aus dem Auto heraus genießen konnten. Am nächsten Morgen war der Wind verschwunden, und der Wetterbericht versprach den ersten warmen Tag mit 34Grad Höchsttemperatur und unseren ersten lauen Abend, denn das Thermometer sollte nicht unter 19Grad fallen. Beim Frühstück vor dem Auto, mit Blick hinunter auf die grüne Idylle, bekamen wir Besuch von einem älteren Marokkaner auf einem Moped. Er sei auf dem Weg von der Oase zu ein paar Feldern weiter flussaufwärts, die er inspizieren wolle. Er sei jetzt Pensionär und habe vorher beim Militär an der algerischen Grenze Dienst getan. Er lies sich gern auf ein Schwätzchen ein, wollte aber unseren schwarzen Tee nicht probieren. Er erzählte uns auch, dass heute in der Oase eine Hochzeit stattfindet und wollte uns zu sich nach Hause zum Essen einladen, als er hörte, dass wir wieder zurück in die Oase fahren wollten. Mit der Verabredung ging es aber sprachlich ziemlich durcheinander, aber da er meinte, er kenne den Platz Aain Nakhla und gehöre zur erweiterten Familie, dachten wir, er würde uns schon finden, wenn die Einladung ernst gemeint war.
Am kleinen Campingplatz angekommen, erwartete uns eine Überraschung, denn der vorher leere Platz war jetzt fast ausgefüllt von einem großen arabischen Festzelt. Der Besitzer des Platzes in blauer Jellabah kam sofort auf uns zu und begrüßte uns in fließendem Deutsch. Er habe 16 Jahre in Winsen/Luhe gelebt, erklärte er seine Sprachkenntnisse und heute gäbe es eine kleine Feier anläßlich der Geburt seines Sohnes, ergänzte er auf das Zelt deutend. Wir sollten uns einfach einen Platz fürs Auto suchen und uns wie zuhause fühlen. Um das Essen müssten wir uns heute auch keine Gedanken machen, wir seien selbstverständlich eingeladen.
So suchten wir uns einen schattigen Platz im kleinen Garten und beobachteten das Treiben um uns herum.So ein traditionelles Fest folgt festen Regeln: gegen 14:00 beginnt der Empfang der Männer. Der Gastgeber nimmt sie in Empfang, begrüßt sie mit Umarmung und geleitet sie ins Festzelt. Das Zelt ist gefüllt mit runden Tischen und Stühlen, alles festlich geschmückt. Zwei extra dafür abgestellte junge Männer in blütenweißen Hemden flitzen dazwischen herum und reichen Tee. Keine leichte Aufgabe bei 70-80 Personen. Danach geht es gleich weiter, auf riesigen Platten kommt das Essen: Berge von feinen Nudeln mit Puderzucker und Zimt auf denen große Stücke Hammelfleisch und Backpflaumen drapiert sind. Dazu das typische Fladenbrot und Wasser. Gegessen wird mit den Fingern direkt von den Platten. Frauen treten überhaupt nicht in Erscheinung.
Auch wir bekommen solch eine, allerdings kleinere Platte zu unserem Platz im Garten gebracht, dazu eine zweite Platte mit Obst: Äpfel, Orangen und Bananen.
Auch am Zelt sahen wir die jungen Männer schon wieder Platten wegtragen und Obstplatten servieren.
Unverzichtbares Utensil auf jedem Tisch sind große Pappboxen mit Papierservietten um sich die Hände zu säubern. Danach wird noch eine Weile gesessen und geschwätzt und wie auf ein Signal hin leert sich das Zelt innerhalb weniger Minuten.
Als ich unseren Gastgeber kurz danach vor dem leeren Zelt fragte, ob das Fest jetzt vorbei sei, verneinte er. Jetzt werde nur kurz aufgeräumt, denn gleich seien die Frauen an der Reihe!
Wie es dort zuging, wird Carola separat berichten, denn Männer haben dort nichts zu suchen!
Während Carola die ankommenden bunt gekleideten Frauen beobachtete und mit ins Zelt gebeten wurde, zogen die verbliebenen Männer sich in ein im hinteren Teil des Grundstücks aufgeschlagenes Normadenzelt zurück und luden mich ein, dort mit ihnen Tee zu trinken und nach der Hitze des Tages den lauen Abend zu genießen. Die Feier der Frauen könne länger dauern, denn dort ginge es nie ohne Trommeln, Singen und Tanzen zu.
Trotzdem war wieder wie auf ein Signal gegen 22:00Uhr Schluss und das Festzelt war plötzlich leer.
Meine Hoffnung, in der Morgensonne noch ein paar Aufnahmen vom Festzelt machen zu können, wurde gleich darauf zerstört, denn nach kurzer Ruhepause tauchte ein Trupp Männer mit einem kleinen Kombi auf und begannen das Zelt samt Teppichen und Inventar für 80 Personen abzubauen und in und auf dem Kombi zu verstauen. Eine echte logistische Meisterleistung, auch wenn sie 2 Touren brauchten, um alles abzutransportieren.
Da es die nächsten Tage so heiß bleiben sollte, beschlossen wir, hier noch einen Ruhetag einzulegen. Bis 11:00Uhr morgens waren die Temperaturen erträglich und wir nutzten die Zeit, einen Spaziergang durch die Oase zu unternehmen. Dann stieg das Thermometer auf 34Grad und darüber, und jeder suchte sich einen schattigen kühlen Platz. Erst gegen 17:00Uhr, wenn die Sonne ihre Kraft verloren hatte erwachten bei Mensch und Tier wieder die Lebensgeister.