Über den Wasserfall ins Paradies

Unser zweiter Anlauf war von mehr Erfolg gekrönt. Durch enge Schluchten ging es langsam hinauf. An etlichen Stellen war man noch eifrig dabei, die Schäden, die das jetzt mickerige Flüsschen der Straße zugefügt hat, zu beseitigen. Ganze Brücken waren weggerissen worden, und teilweise war die Strasse nur noch eine provisorische Piste. Aber im Gegensatz zu gestern, tauchte der Asphalt immer wieder unter der Piste auf. Auch hier wieder Lavendel, Thymian und Krüppelholz an den Hängen. Die Täler ähnelten eher kleinen Oasen mit Palmen und Mandelbäumen. Am Eingang ins Paradies Valley fuhren wir erst einmal vorbei, denn das wollten wir uns für den Rückweg aufsparen, und so ging es jetzt erst einmal weiter hinauf. Auf 1200m Höhe erreichten wir Immouzer, offenbar der Marktflecken der Region, und offenbar hatten wir genau den Markttag erwischt, denn die einzige Straße durch den Ort war ziemlich verstopft. Fahrende Händler hatten ihre Fahrzeuge hier abgestellt oder ihre Waren auf der Strasse ausgebreitet. Überall wurden Esel, Karren und Autos beladen und entladen, und wir mussten uns im Schritttempo unseren Weg bahnen. Ehe wir uns versahen, waren wir auch schon wieder aus dem Ort heraus, und vor uns führte die Straße in Serpentinen wieder in ein weites Tal hinunter. Wo sollte hier denn ein Wasserfall herkommen? 2 km weiter und etwa 150m tiefer wussten wir es, denn er fiel fast unmittelbar hinter dem Ort senkrecht etwa 100m hinunter.
Dass die Marokkaner Ausflüge und Picknicks lieben, hatten wir schon auf früheren Reisen gelernt, und hier am Fuß des Wasserfalls war entsprechend ein typisches marokkanisches Ausflugsziel entstanden. Obwohl die Ausflugsaison noch weit entfernt war, konnte man erahnen, was hier im Sommer los sein musste. Jetzt ging es noch sehr beschaulich zu, nur wenige Imbissstände und Souvenirhändler hatten sich bereits eingerichtet und waren auch noch garnicht richtig in Verkaufsstimmung. Nur als eine kleine Gruppe europäischer Ausflügler aus Agadir auftauchte, kam kurz Leben auf, und ein mutiger Klippenspringer konnte erfolgreich seinen dramatischen Sprung aus etwa 15m Höhe von den Felsen in die schmale Schlucht in einen offenbar tieferen Gumpen verkaufen. Danach kehrte wieder Ruhe ein.Nach einem Mittagsimbiss ging es wieder hinauf nach Immouzer, wo inzwischen offenbar alle Geschäfte getätigt waren, denn die Händler waren am Zusammenräumen, und so kamen wir problemlos hindurch. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie anders eine Strecke aussieht, wenn man sie in umgekehrter Richtung fährt. Hinunter in die Schlucht kam es uns viel kürzer vor, und so hatten wir bald den Eingang ins Paradies Valley erreicht. An dieser Stelle verläßt die Straße die Schlucht, die hier immer schmäler wird und klettert die Berge hinauf. Ein schmaler Pfad führt aber weiter hinein in die Schlucht entlang eines kleinen Flüsschens, das zwischen den Felsen immer wieder kleine Becken bildet, in denen man wunderbar baden kann – wenn das Wetter danach ist. Hierhin haben sich in den 70er Jahren gerne Hippies zurückgezogen. Es geht eine Legende, dass ein krankes Hippiepaar, das hierher kam, das Tal nach mehreren Wochen völlig gesundet verlies. Die Hippiezeiten sind vorbei, der Name Paradies Valley blieb, und heute ist der Ort – wie sollte es anders sein – ein beliebtes Ausflugsziel für junge marokkanische Paare. Es gibt ein paar improvisierte Ausflugslokale, eine echte logistische Herausforderung, denn alles muss auf dem Rücken über den schmalen Pfad von der Strasse hierher transportiert werden. Das klappt offenbar prima, nur am Rücktransport des Mülls hapert es noch, obwohl  überall entsprechende Schilder aufgestellt sind.

Ein bisschen Hippieflair ist noch zu spüren, wenn man sich die improvisierten Lokale anschaut und es geht auch, zumindest um diese Jahreszeit noch sehr relaxed zu. Hier läßt es sich gut aushalten, auf einem Felsen in der Sonne sitzend, die Füße im garnicht so kalten Wasser und den kleinen Fischen zuschauen, die einem um die Füße huschen.

Leider kein Platz um über Nacht zu verweilen, und so verlassen auch wir das Paradies, nachdem die Sonne hinter den Felswänden verschwunden ist und fahren ein Stück Richtung Agadir zurück, bis wir einen Stellplatz finden, der mit dem dekadenten Komfort heißer Duschen ausgestattet ist .