Nach den vielen Dörfern und Städten der letzten Tage stand uns der Sinn mal wieder nach Landschaft und Natur. Eine Radtour durch die Berge mit nicht zu viel bergauf und bergab wäre jetzt genau das Richtige. Das gibt es tatsächlich!
Die Via Verde de la Sierra ist ein 37km langer Radweg auf einer Eisenbahntrasse durch die Berge, die niemals fertiggestellt wurde. Mit 30 Tunneln und 4 Viadukten sicher ein besonderes Erlebnis, das wir uns nicht entgehen lassen wollten. Auf dem Weg dorthin machten wir noch einen kleinen Umweg durch die Sierra de Grazalema nach Zahara de la Sierra. Schon der Name machte uns neugierig, und eigentlich wollten wir die an einen Berggipfel geklebte Stadt schon auf unserer Tour durch die weißen Dörfer besuchen, hatten aber wegen des schlechten Wetters darauf verzichtet.
Die Erbauer dieser Bergdörfer müssen andere Prioritäten gehabt haben, als wir heute. Sicherheit ging ihnen eindeutig vor Bequemlichkeit, denn das Zentrum des Ortes lag fast 100m höher, als die letzte für uns befahrbare Straße. Und so hieß es mal wieder: zu Fuß hinauf gehen.
Bis zur alten Burgruine auf dem Gipfel schafften wir es allerdings nicht, dazu sahen die Lokale im Schatten der Orangenbäume im lebendigen Ortszentrum zu einladend aus.
Hinab zum Auto ging es dann irgendwie schneller….
Das Problem bei Radwegen auf alten Bahntrassen ist, sie sind in der Regel keine Rundwege, man muss irgendwann umkehren. 37 km hin und dann wieder zurück war uns etwas viel für eine Tagestour, deshalb haben wir uns als Startpunkt den kleinen Ort Coripe, etwa auf halber Strecke, ausgesucht. Der Bahnhof liegt etwa 1km außerhalb des Ortes, zwischen einer Brücke und einem Tunnel, und ist heute ein kleiner Gasthof, in dem sich die durchreisenden Radfahrer stärken können.
Viel Parkraum gab es dort aber nicht, und so empfahl uns der Wirt für die Nacht einen Picknickplatz, ein paar hundert Meter weiter. Als wir dort ankamen, wunderten wir uns über die vielen Wohnmobile, die auf dem weiträumigen Gelände regelrechte Wagenburgen gebaut hatten, bis uns einfiel, dass das Wochenende begonnen hatte! Offenbar wurde der Picknickplatz gern von spanischen Familien auf Wochenendausflug genutzt.
Am nächsten Morgen starteten wir zur ersten Etappe hinauf nach Olvera. 220 Höhenmeter auf knapp 22km waren zu bewältigen, die man aber kaum merkte. Zur Einstimmung ging es gleich zu Beginn durch den ersten von 20 Tunneln auf diesem Abschnitt, immerhin schon 175m lang. Es ist schon ein komisches Gefühl, vom grellen Sonnenlicht in den dunklen Tunnel zu fahren.
Man sieht trotz Beleuchtung fast nichts und kommt fast ins Taumeln, besonders wenn man das Ende wegen einer Kurve nicht erkennen kann. Nach ein paar Tunnel gewöhnt man sich etwas daran. Ein besonderes Highlight auf diesem wunderschönen Streckenabschnitt war ein Bahnhof unterhalb eines Felsmassivs, der als Vogelbeobachtungsstation genutzt wurde.
Auf dem Massiv lebt eine große Population von Gänsgeiern, mehr als 200 Paare brüten hier. Man kann die mächtigen Vögel , mit einer Spannweite von mehr als 2m, von hier, über ein auf dem Berg installiertes ferngesteuertes Kamerasystem, quasi aus der Nähe beobachten.
Ein wirklich faszinierendes Schauspiel. Wir konnten uns kaum losreißen, zumal der nette Spanier, der die Vogelstation betreute, ausgezeichnet deutsch sprach und viel zu erzählen hatte. Trotz vieler Pausen erreichten wir unser Tagesziel, den Endbahnhof der Trasse, viel zu schnell. Auch dieser Bahnhof ist heute ein Gasthaus, und so genossen wir ein gutes Mittagessen, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten.
Zurück am Bahnhof Coripe gönnten wir uns noch ein Gläschen, dann kehrten wir für die Nacht zum bewährten Picknickplatz zurück. Hier war es, jetzt am Sonntagabend, deutlich ruhiger geworden.
Da es keinen Stromanschluss gab, wollte ich die Abendsonne nutzen, um die Batterien unserer Fahrräder mit Solarunterstützung vom Bordnetz zu laden, scheiterte aber, weil die doch ziemlich erschöpften Batterien der Fahrräder unsere Bordinstallation überforderten. Zuhause, beim Testen, waren die Batterien offenbar noch ziemlich voll gewesen, sodass das Problem nicht aufgetreten war.
Am nächsten Morgen sollte die 2. Etappe starten, diesmal zuerst bergab nach Puerto Serrano 85 Höhenmeter auf 15km mit nur 10 Tunneln, dafür aber 3 Viadukten. Zuerst mussten aber die Batterien geladen werden. Der Wirt des Gasthof wollte erst nicht, ließ uns dann aber gegen gute Bezahlung die Batterien im Gasthof aufladen. 2 Stunden Ladezeit mussten genügen, wir wollten ja schließlich nicht zu spät losfahren. Dieses Mal startete die Tour gleich mit einem Viadukt, von dem man allerdings nicht viel sah, außer seinem Schatten im Tal durch die noch tief stehende Sonne.
Das Highlight dieser Etappe auf der Via Verde de la Sierra war ein Tunnel von 900m Länge, der auch wieder nur spärlich beleuchtet war. Der Abstand der einzelnen Lampen war so groß, dass man in den Abschnitten dazwischen die Tunnelwände nicht mehr sehen konnte und auch vom Boden nur, was der Lichtkegel des Scheinwerfers beleuchtete. Der ständige hell – dunkel Wechsel hatte eine fast hypnotische Wirkung.
Wir mussten beide zwischendurch mal anhalten, um nicht zickzack zu fahren oder zu fallen. Die letzten Kilometer brachten dann noch eine Überraschung: der letzte Tunnel war offenbar nicht mehr befahrbar, und die Strecke führte statt dessen steil hinunter in ein Tal und auf der anderen Seite genauso steil wieder hinauf. Auf der 10 prozentigen Steigung schaffte es Carola nicht mehr anzufahren und musste schieben, bis wir einen ebenen Seitenweg fanden, auf dem sie Schwung holen konnte, um den Elektroantrieb zu aktivieren.
Im Bahnhof Porto Serrano war wieder Mittagspause angesagt. Dann ging es zurück. Bis auf den letzten Abschnitt war auch diese Strecke sehr gut zu fahren, wenn auch landschaftlich nicht ganz so spektakulär wie am Vortag.
Insgesamt gehört die Via Verde de la Sierra sicher zu den schönsten Fahrradrouten in Andalusien.
Den Rest des Nachmittags verbrachten wir faulenzend in der Sonne und blieben über Nacht noch einmal auf dem inzwischen fast vereinsamten Picknickplatz.
Mehr Bilder von der Radtour gibt es es in den Galerien : Via Verde de la Sierra