Es geht doch noch südlicher…

Seit ein paar Jahren verläuft die Nationalstrasse 12 nicht mehr von Guelmin nördlich über Bouizarkane nach Icht, sondern macht einen Bogen nach Süden bis hinunter nach Assa und von dort wieder nordöstlich nach Icht. Das bietet die Gelegenheit auf einer guten Asphaltstrasse echtes Wüstenflair zu erleben. Schon in Guelmin war uns aufgefallen, wie massiv hier im Süden investiert wird, um die Region attraktiver zu machen und Menschen hierher zu ziehen.
Entsprechend wirkt Assa mit seinen Neubauten, breiten Strassen und Plätzen entlang einer kleinen Oase mit einem verfallenden alten Dorf fast unwirklich mitten im Nichts. Das prunkvolle Stadttor liegt – vorausschauend geplant – gut 1 km vor der Stadt mit lebensgroßen Statuen von Dromedaren geschmückt. Hier wurden wir auch zum ersten Mal in einer Polizeikontrolle angehalten und nicht freundlich grüßend durchgewunken. Wir mussten unsere Pässe zeigen und wurden nach unserer Reiseroute befragt. Das algerische Grenzgebiet ist hier nicht weit, und die in Assa nach Süden abzweigende Strasse ist nur wenige Kilometer frei befahrbar. Danach ist militärisches Sperrgebiet. Als wir am Freitag Mittag bei über 34 Grad hier ankamen, war die Stadt wie verlassen, alle Geschäfte geschlossen, die Cafes leer. Hier am Rande der Westsahara, wo die Bevölkerung überwiegend aus Sahrauis besteht, gilt offensichtlich der Freitag als Feiertag. Auch der Besuch der Moschee wird hier konsequenter eingehalten, denn kurze Zeit später kamen viele Männer in weißen Jellabahs aus einer Moschee an der wir vorbeikamen und standen plaudernd, unbeeindruckt von dem bisschen Strassenverkehr, mitten auf der Hauptstrasse herum.
Auf der Suche nach einem Platz um sich zu orientieren, fanden wir oberhalb des alten Ksar einen Parkplatz mit herrlichem Ausblick über die Oase und die Stadt.Dort trafen wir einen netten jungen, arbeitslosen Sahraui, der uns bei der Orientierung in den Ruinen des alten Ksar behilflich war. Anschließend führte er uns in ein kleines Cafe in einem der noch erhaltenen Lehmhäuser am Rande des Ksar, wo wir ihn zu einem Tee einluden. Als der alte Besitzer hörte, dass wir Deutsche sind, wurde er auf einmal sehr munter und holte einen liebevoll gestalteten Bildband hervor, den ein deutscher Motorradfahrer, der 2012 hier wegen einer Reifenpanne gestrandet war, über ihn und seine Familie gemacht hatte. Steffen Burger aus Siegen war offenbar während seines ungeplanten Aufenthalts in Assa von der Familie herzlich aufgenommen worden und hatte sich auf diese Weise bei der Familie bedankt. Auf dem Rückweg zum Auto trafen wir auf eine muntere Gruppe junger Leute, ein Filmteam, das in der Wüste vor der Stadt einen Dokumentarfilm über das Leben der Nomaden drehte. Im Nu war Merlin der Star des Ensembles, denn jeder, besonders die Frauen, wollte mit ihm fotografiert werden. Dabei wurden sie immer mutiger und Merlin ließ alles gelassen über sich ergehen und schmuste sogar mit den Frauen – ein echter Charmeur!
Als unser Begleiter hörte, dass wir weiter nach Icht fahren wollten, fragte er, ob wir ihn ein Stück mitnehmen könnten, denn seine Familie wohne in einer kleinen Oase ein paar Kilometer vor der Stadt. Wir willigten ein und nahmen ihn mit. Auf dem Weg entdeckten wir etwas abseits der Strasse ein paar Nomadenzelte und Männer, die unter einer großen Akazie lagerten. Das müsse das Filmset sein, erklärte unser Begleiter. Die Männer seien die Wächter, die das Set bewachen, wenn das Filmteam Feierabend mache. Wir fuhren von der Strasse herunter und hielten unter der großen Akazie. Die Männer waren etwa im gleichen Alter wie unser Begleiter und ebenfalls Sahrauis. Der Filmdreh hatte ihnen einen Gelegenheitsjob verschafft. Auch sie waren fasziniert von Merlin, und nachdem sie Vertrauen gefasst hatten, holten sie die Reste von ihrem Abendessen hervor und fütterten ihn mit gegrilltem Hähnchen – offenbar hatte das Cateringteam der Filmcrew sie gut versorgt.

Wir waren überrascht, dass sie großen Wert darauf legten keine Marokkaner zu sein, sondern Sahrauis, und sie hatten keine Scheu uns gegenüber ihre Sympathie für die Polisario offen zu zeigen.
Da es schon spät wurde und wir noch nicht wussten, wo wir die Nacht verbringen wollten, verabschiedeten wir uns bald und setzten unseren Begleiter kurze Zeit später ohne großen Aufenthalt an ein paar Lehmhäusern etwas abseits der Strasse ab. Bis zum nächsten Ort lagen rund 70km Wüste vor uns, und so hielten wir Ausschau nach einem geeigneten Platz, an dem wir ungestört die Nacht verbringen könnten. Ein trockenes Flussbett mit ein paar Palmen und Akazien tauchte neben der Strasse auf und versprach Sichtschutz. So folgten wir ein paar alten Reifenspuren in die Wüste, fanden eine fahrbare Durchfahrt durch das Flussbett und hielten, nachdem wir wieder genug Höhe gewonnen hatten, um uns vor nächtlichen nassen Überraschungen sicher zu fühlen. Hier verbrachten wir eine wunderbare laue Nacht unter klarem Sternenhimmel in absoluter Ruhe.

Ein Gedanke zu „Es geht doch noch südlicher…

  1. Hi, habt ihr das sonst mit dem Freitag als islamischen Quasisonntag nicht so Erlebt? Passen die sich sonst stärker an den Westen an?
    Übrigens netter Tippfehler: Normaden statt Nomaden, so haben sie was Normaleres…
    😉
    Euch noch eine schöne Zeit!

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