31. Oktober 2014 – Amezrou
4 Tage ist der letzte Eintrag her, da gibt es einiges nachzuholen. Ich will mal versuchen zu rekapitulieren: 3 Tage sind wir in Asslim im Palmenhain an der Kasbah von Caïd Ali geblieben, haben gefaulenzt, sind kreuz und quer durch die Palmengärten der Flussoase gelaufen, haben Entdeckungstouren im verlassenen Ksar, dem alten, aus Lehm erbaute Wehrdorf unternommen und natürlich die Kasbah besichtigt. Gaelle, die französische Frau des jüngsten Enkels des letzten Caïd, hat sich viel Zeit für uns genommen und uns viel über die Familie, die Geschichte der Caïds und das Leben in solch einer Kasbah erzählt. Und das auf sehr nette Weise in Deutsch mit französischem Akzent. 2 Tage waren wir dort praktisch die einzigen Gäste. Die Touristensaison ist dieses Jahr überall im Land sehr mager ausgefallen. Gaelle meinte, dass die ständig anfallenden Renovierungsarbeiten zur Erhaltung des 250 Jahre alten, aus Lehm erbauten Gebäudekomplexes deshalb zur Zeit, wegen fehlender Einnahmen aus dem Gästebetrieb, ruhen müssen. Aber Allah hatte wohl ein Einsehen, denn am 3. Abend tauchte unverhofft zuerst der rote Truck von Rotel-Tours mit 20 deutsche Gästen auf, eine halbe Stunde später zwei große Offroad Trucks aus Frankreich, und in der Dämmerung noch drei weitere Jeeps. Bei Gaelle wurden wir auch 2 weitere alte Auto-Verbandskästen los, die wir zum Verschenken mitgenommen hatten. Den ersten Verbandskasten hatten wir bereits im Dadèstal einem netten Marokkaner überlassen, der sich sehr darüber gefreut hatte.
Nachdem wir so viel über die Caïds des Drâatals erfahren hatten, gehörte die Fahrt zum nicht weit entfernten alten Ksar Tamnougalt mit dem Stammsitz der Familie von Caïd Ali zum Pflichtprogramm. Insbesondere, da der Ksar noch bis in die 60er Jahre bewohnt war; die letzte Karawane soll hier Ende der 60 Jahre durchgezogen sein. Heute leben hier nur noch 20 Familien mit etwa 180 Personen. Das ist alles, was vom alten Verwaltungszentrum und wichtigen Karawanenhandelsplatz mit ehemals knapp 10.000 Einwohnern übrig geblieben ist, nachdem die Caïds mit der französischen Kolonisierung ihren Einfluß verloren, da sie bis zuletzt zum Sultan gehalten hatten. Wichtigste Einkommensquelle der Einwohner ist, neben den Touristen, die Filmindustrie, die gerne hier dreht, wenn eine alte Karawanenstadt benötigt wird. Auch ‚Himmel über der Wüste‘ von Paul Bowles wurde von Bertolucci hier gedreht. Wir hatten Glück und fanden einen sehr netten Führer, über dessen hervorragende Kenntnisse der marokkanischen Geschichte wir uns nur wundern konnten. Er sprach sehr gut Englisch, ohne es jemals in der Schule gelernt zu haben. Dazu noch Französisch, Arabisch und die Sprache der Mezgita-Berber.
Als Mitglied einer der hier verbliebenen Familien kannte er den Ksar natürlich bestens. So konnten wir neben der alten Kasbah des Caïd noch 2 weitere erhaltene Kasbahs, das alte Judenviertel, die Mellah, die Karawanserei und auch die alte Moschee anschauen. Gerade als wir auf der Dachterasse einer Kasbah standen und das tolle Panorama bewunderten, gab es ein dumpfes Geräusch und unser Guide schaute sich etwas besorgt um, sagte aber nichts. Später, als wir im einzigen Lokal des Ortes noch einen Tee tranken und etwas aßen, entschuldigte er sich und verschwand für eine Weile. Als er zurück kam, erzählte er, dass bei einer der noch bewohnten Kashbahs, die wir kurz vorher besucht hatten, eine Wand eingestürzt war, als wir das Geräusch hörten. Glücklicherweise sind keine Menschen zu Schaden gekommen, aber mehrere Ziegen und Schafe, die auch in den Räumen gehalten werden, sind wohl von der einstürzenden Wand erschlagen worden. Für die betroffene Familie bedeutet das ein großes Unglück, dass sie ohne die Hilfe der Dorfgemeinschaft nicht bewältigen kann. Unser Guide meinte jedoch, dass in solch einem Fall hier noch alle Familien zusammenhalten und jeder etwas dazu beiträgt, den Schaden abzumildern und beim Wiederaufbau zu helfen. Um so mehr freute er sich auch, als wir uns bei seiner Entlohnung ungewohnt großzügig zeigten.
Nachdem wir unser Auto wieder durch die engen holperigen Gassen aus dem Ksar herausmanövriert hatten, ging es weiter durch das Drâatal nach Süden Richtung Zagora. Das Drâatal zwischen Agdz und Zagora ist landschaftlich wirklich sehr schön. Die Straße verläuft entweder im Flusstal, oder am Rande und obwohl der Fluß bereits in Agdz kein Wasser mehr führt, wirkt es hier viel grüner als im unteren Dadèstal. Außerhalb des Flusstals weitet sich die Landschaft jetzt auch und man merkt, dass man sich der Wüste nähert. Zagora, früher Garnisonsstadt und letzter Karawanenhandelspunkt vor der Wüste, ist jetzt geprägt vom Wüstentourismus und Ausgangspunkt für Allrad oder Kameltouren in die großen Sanddünen des Erg Chegaga. Die Touren beginnen aber eigentlich erst im 90 km entfernten M’Hamid, wo die asphaltierte Strasse endgültig endet. Noch vor 15 Jahren endete die zivilisierte Welt jedoch am Südende von Zagora an dem berühmten Wegweiser:
=> Timbuktu 52 Tage
der heute im Museum steht ( eine Kopie auch im Zoo Hannover im Afrika- Gehege).
Unser erstes Quartier bezogen wir bei einem Musiker am Nordende der Stadt, dicht am Palmenhain und den ersten Sanddünen. Da uns der Platz aber etwas eng war, und es mit der Musik am ersten Abend auch nichts wurde, zogen wir heute morgen weiter in die Oase hinein, nachdem wir die Einkaufsmöglichkeiten von Zagora ausgeschöpft hatten. ( es gab sogar mal einen richtigen, dem holländischen Gouda ähnlichen Käse… bisher beschränkte sich die Käseauswahl auf verschiedene Geschmacksvarianten von Schmelzkäse der Sorte ‚La vache qui rit‘).
Hier in Amezrou werden wir wohl ein paar Tage bleiben, bevor wir uns wieder Richtung Norden auf den Weg machen. Der Platz unter hohen Dattelpalmen ist groß genug für Merlin, und wir sind noch die einzigen Gäste….
Bei unserer Ankunft wurden gerade Dattel geerntet, zumindest für einen der Beteiligten eine halsbrecherische Aktion, denn er muss ohne jegliche Sicherung hinauf in die Krone klettern, die schweren Fruchtstände mit der Machete abhacken und sie hinunterwerfen. Die anderen breiten unten lediglich ein großes Tuch aus und sammeln auf, was beim Aufprall der bis zu 10kg schweren Fruchtstände in alle Richtungen davonfliegt. Bei unserer Ankunft wurde die Arbeit erst einmal unterbrochen und gemeinsam der beste Platz für unser Auto ausgesucht. Kaum stand es dort, wurde ein großer Palmteppich davor ausgebreitet, ein Tisch und Stühle für uns aufgestellt und ein Tee serviert. Nachdem der erste Tee ausgetrunken war, ging unser Gastgeber wieder zu den Männern an die Arbeit und wir durften zusehen und Tee trinken. So läßt es sich sicher ein paar Tage aushalten……
Manfred