6. November – Wüstencamp Serdrar
Der Platz in Amezrou war so angenehm, dass wir ein paar Tage blieben. Direkt nebenan in der Oase lag ein kleines Hotel mit wunderschöner Gartenanlage, das wir öfter besuchten, da auf dem Campingplatz die Internetverbindung nicht funktionierte. Auch hier sind die einzelnen Gärten von Mauern aus Lehm umgeben, an denen man die Vergänglichkeit dieser Bauweise erkennen kann. Dort, wo sie regelmäßig renoviert werden, sind sie völlig intakt und sogar teilweise verziert. An anderen Stellen haben sie große Risse, sind teilweise eingestürzt oder nur noch als Lehmhaufen erkennbar, aus dem vielleicht noch Andeutungen der ehemaligen Mauer herausragen. Kommt man in die Randzonen der Oase, erkennt man schnell die Notwendigkeit dieser Mauern, denn hier hat der Wind die Wege zwischen den Mauern teilweise bereits Meterhoch mit Sand aufgefüllt. Hier findet man auch viele gescheiterte Versuche, das Vordringen der Wüste aufzuhalten. Hunderte Meter Bewässerungsleitungen wurden hier zu jedem neu gepflanzten Baum verlegt, aber das Wasser ist hier in den letzten Jahren so knapp geworden, dass viele Brunnen ausgetrocknet sind, und selbst im öffentlichen Wasserleitungsnetz der größeren Orte im Sommer täglich nur für ein paar Stunden Wasser verfügbar ist.
Am Sonntagvormittag nahm uns Himmi, der Platzeigentümer, mit seinem Auto mit nach Zagora zum großen Wochenmarkt. So konnte Merlin in unserem Auto in der kühleren Oase bleiben. Ähnlich wie die Souks in den Städten sind auch die Märkte aufgeteilt in einen Obst- und Gemüsemarkt, Töpferwaren, Stoffe und Kleidung und den Tiermarkt, wo vom Küken über Ziege, Schaf, Esel bis zu Kuh und Kamel jedes Tier fachmännisch begutachtet wird, bevor mit den langwierigen Verhandlungen begonnen wird. Erschlagen von den vielen Eindrücken und der Sonne, die mittags immer noch eine unglaubliche Kraft entfaltet, zogen wir uns in ein schattiges Cafe an der Hauptstrasse zurück, bevor wir uns wieder mit unserem netten Chauffeur trafen, um zurückzukehren in die idyllische Ruhe der Oase.
Eigentlich wollten wir am nächsten Morgen wieder weiterfahren, aber auf dem Rückweg vom Markt erzählte Himmi uns, dass nur 16km weiter südlich in Tamegroute in den nächsten Tagen ein großer Moussem stattfindet. In Marokko gibt es noch viele religiöse Bruderschaften. Eine der berühmtesten, die Nassiria, wurde in Tamegroute gegründet und die Zaouia, das Ordenshaus der Bruderschaft mit dem Grabmal ihres Gründers, ist einmal jährlich Ziel vieler Pilger, die am Grabmal Heilung ihrer Gebrechen suchen. Da die Pilger von weit her anreisen, dauert so ein Moussem mehrere Tage und ist verbunden mit einem großen Markt und Jahrmarkt, denn so viele Menschen müssen auch beschäftigt und versorgt werden. Angeschlossen an das Ordenshaus gibt es eine kleine Bibliothek mit den Aufzeichnungen des Ordens, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Einige der wunderschönen, auf Gazellenhaut geschriebenen und gemalten Dokumente kann man hinter Glas bewundern. Leider fanden wir niemanden, der uns etwas über den Ablauf solch eines Moussems erzählen konnte, denn sie sind oft auch verbunden mit Veranstaltungen wie Reiterspielen und so fuhren wir am Nachmittag, als die meisten einheimischen Besucher sich zur Siesta in irgendeine schattige Ecke zurückzogen, auch wieder zurück in unsere schattige Oase.
Am Dienstag ging es dann aber wirklich weiter. Wir hatten uns vorgenommen, nicht die gleiche Strecke zurück zu fahren, sondern etwa 100km in nordöstlicher Richtung, parallel zur Algerischen Grenze der Nationalstrasse 12 zu folgen, um dann über eine Nebenstrasse wieder Richtung Westen ins Drâatal zurückzukehren. Irgendwo hier abseits der Strassen soll es 7.000 Jahre alte Felszeichnungen geben, die erst vor 15 Jahren entdeckt wurden, aber touristisch noch nicht erschlossen sind. Die Nationalstrasse 12 entpuppte sich bereits wenige Kilometer hinter Zagora als katastrophale Wellblechpiste. Offenbar hatte man den Straßendamm durch die Geröllwüste zwar schon neu angelegt, aber die Asphaltdecke eingespart. Da wir die Inneneinrichtung unseres Autos nicht völlig zerlegen wollten, blieb nur schön langsam, mit max. 15km/h die harmloseste Spur zu finden. Die Landschaft wechselte zwischen kahler Geröllwüste, riesigen Ebenen mit völlig ebenem Boden, der aussah, als könne man dort viel besser fahren, als auf der Strasse und Steppenland mit vereinzelten Schirmakazien und kleinen, nicht weniger stacheligen Sträuchern. Unvorstellbar wie die Dromedare, die man dort manchmal sieht auch nur eines der winzigen Blättchen zwischen den langen Stacheln herausrupfen können, ohne sich ein blutiges Maul zu holen. Nach 4 Stunden und knapp 70 km trafen wir dann auf die Stelle, wo den Straßenbauern der Asphalt ausgegangen war und so vergingen die nächsten Kilometer im Geschwingigkeitsrausch…
Leider war es damit schnell wieder vorbei, denn der einzige Übernachtungsplatz im Umkreis von 100km ( wenn man sich nicht einfach neben der Strasse in die Wüste stellen will) ist eine kleine ehemalige Farm 6km abseits der Strasse. Der Besitzer hat die Landwirtschaft vor einigen Jahren wegen Wassermangels aufgegeben und auf dem Farmgelände mit seinen Söhnen einen Übernachtungsplatz für Wüstenfans eingerichtet. Für große Gruppen hat er komfortable Biwakzelte gebaut und auch sonst alles sehr liebevoll und schön hergerichtet. Man merkt, dass einer seiner Söhne in Italien im Baugewerbe arbeitet. Zusammen mit den in der Umgebung lebenden Normaden bietet er mehrtägige Kameltouren mit bis zu 40 Kamelen an.
Einer der Söhne zeichnet uns am nächsten Morgen eine Karte, die uns 22km über Sand- und Geröllpisten zu der Stelle führen soll, wo die Felsmalereien zu finden sind. Und tatsächlich finden wir nach Durchquerung eines wunderschönen Cañons und eines weltvergessenen Dorfes den beschriebenen Hügel, auf dessen Kuppel der von der Regierung bezahlte Wächter schon auf uns wartet. Er hat von seinem exponierten Platz den Überblick über die gesamte Umgebung und hat uns bereits gesehen, als wir aus dem Cañon herauskamen. Die Felsmalereien sind eigentlich korrekterweise Steinritzungen, die auf vielen Felsbrocken unterschiedlichster Größe verteilt über den ganzen Hügel zu finden sind. Leider konnten die Menschen hier damit nicht viel anfangen und haben die Darstellungen eher als Anregung verstanden, selbst etwas hinzuzufügen. Erst seit ein paar Jahren gibt es den Wächter, der das verhindert und vor allem auch dafür sorgt, dass nicht immer mehr der schönen Tierdarstellungen verschwinden und auf Kunstauktionen in Europa wieder auftauchen. Den Bildern nach muß es hier vor 5.000 Jahren Nashörner, Elefanten, Giraffen, verschiedene Antilopenarten, Löwen und Affen gegeben haben. Daneben gibt es Darstellungen von Jagdwaffen und Kultzeichen, die als Kalender interpretiert werden. Interessanterweise findet man keine Darstellungen von Menschen. Leider sind wir beide zur Zeit etwas angeschlagen, ob zuviel Sonne, oder das Essen nicht vertragen, ist unklar. Auf jeden Fall fiel unser Ausflug kürzer aus, als dem Ort und der wunderschönen Umgebung angemessen wäre und wir kehrten zurück ins Camp mit dem Komfort von Dusche und WC. Nach unruhiger Nacht legten wir deshalb noch einen Erholungstag im Camp ein, bevor es morgen weiter geht, denn am 8.11. oder 9.11. wollen wir ja Gabriele und Klaus-Peter bei Ouarzazate treffen, die sich am 8.11. von Marrakesch aus über den hohen Atlas nach Süden auf den Weg machen wollen.
Manfred
Hallo ihr Lieben,
das mit den Felszeichnungen ist ja interessant. Ich hoffe, dass es euch – wenn ihr dies lest – wieder gut geht (bzgl. der erwähnten Angeschlagenheit). Hier ist der Reigen der 60er voll zu Gange; Dienstag feierte Peter (von gegenüber) im Rahmen des Chores, heute macht Jorge an diesem seinem 60ten Geburtstag ein großes Tanzfest. Bald isses auch in Marokko soweit….
Und morgen ist ja der 25. Jahrestag des Mauerfalls, und in diesen Tagen wird viel daran erinnert.
Euch alles Gute und liebe Grüße
Heinz mit Uli und Jiyan