21. Oktober 2014 – Oase Tinerhir und Todraschlucht
Wir haben den Tafilalet hinter uns gelassen und fahren am Südrand des Atlas Richtung Westen entlang der Straße der Kashbas. Einen Tag lang sind wir noch durch die Oase des Ziztals gewandert, diesmal ohne uns zu verirren, dank GPS.
Zur Zeit ist Dattelernte und wir treffen immer wieder auf Bauern, die ihre mit Dattelbündeln beladenen Esel über die schmalen Pfade treiben. Obwohl wir ja mitten durch ihre Gärten trampeln, sind die Menschen sehr freundlich: Nach dem obligatorischen Austausch von Begrüßungen werden wir immer wieder aufgefordert, uns einfach zu nehmen, was wir wollen. Die Frauen winken Carola gerne zu sich heran und wollen ihr am liebsten ganze Dattelbüschel mitgeben. Dazu wird viel geredet, ohne dass wir irgend etwas verstehen. Irgendwann stoßen wir auf eine kleine Strasse, die in einen Ort auf der anderen Seite des Flusses führt. Prompt tauchen auch ein paar Kinder auf und Merlin wird sofort nervös und will nur noch weg. So verzichten wir auf den Besuch des Ortes und laufen zurück.
Am nächsten Morgen fahren wir die schon bekannte Straße weiter zurück bis Errachidia und biegen dort nach Westen ab in Richtung Goulmima. Die Straße führt durch flache, staubige Geröllwüste, in der Ferne im roten Dunst die Silhouette der Berge. In Goulmima wollen wir uns einen alten Ksar anschauen, der zur Zeit mit Mitteln der UNESCO restauriert wird. Kaum halten wir in der prallen Sonne, werden wir sofort angesprochen, ob wir einen Führer wollen. Wir wollen schon, denn ohne Führer sollte man nicht hineingehen, aber Englisch oder Deutsch sollte er sprechen können. Nach einigem Palaver auf Französisch wird schließlich jemand gerufen, der Englisch versteht und dem wir klar machen können, dass wir zuerst einen Schattenplatz für unser Auto brauchen. Merlin muss im Auto bleiben – er würde sicher keine 10 Schritte in den dunklen Ksar hineinlaufen.
Sofort werden wir mit unserem Auto in eine überbaute Gasse dirigiert, wo wir es einfach stehen lassen sollen – alles überhaupt kein Problem – und so kann der Rundgang beginnen. Unser Führer entpuppt sich als freundlicher, kompetenter Begleiter, der uns viel über das Leben in einem Ksar erzählt, uns durch die verwirrenden teilweise stockdunklen Gassen führt und erläutert, wie so ein Ksar aufgebaut ist. Die ehemaligen Bewohner haben den Ksar verlassen und außerhalb neue Häuser gebaut, denn im Ksar gibt es keine Kanalisation und kein fließendes Wasser. Trotzdem ist der Ksar bewohnt, denn für die Berber aus den kleinen Dörfern bietet sich hier eine kostenlose Wohnmöglichkeit nahe der Stadt, die sie gerne nutzen, besonders wenn sie Mädchen haben, die zur Schule gehen sollen, denn auf den Dörfern gibt es keine Schulen für Mädchen. Es gibt 2 Brunnen, die für die etwa 3000 Bewohner die einzige , aber kostenlose Wasserversorgung sind. Strom ist das einzige, was die Bewohner selbst zahlen müssen.
Nach einem kleinen Rundgang durch die hinter dem Ksar beginnende Flussoase verabschieden wir uns von unserem netten Führer und und bugsieren unser Auto wieder rückwärts aus der überbauten Gasse heraus.
In Goulmima halten wir uns nicht weiter auf, sondern fahren gleich weiter Richtung Tinerhir und Todraschlucht. Noch einmal geht es 60 km durch die Gröllwüste, nur unterbrochen durch eine merkwürdige Ortschaft, die sich mitten im Nichts kilometerlang entlang der Straße hinzieht und wirkt wie eine afrikanische Variante eines Ortes im Wilden Westen. Rechts und links der Strasse je eine Reihe Häuser, teilweise mit schönen Fassaden, Werkstätten, Cafes und ein paar Geschäfte, dahinter nur Sand und Geröll. Wir nähern uns den Bergen wieder und endlich kommen wir an eine Abbruchkante in der flachen Ebene und es geht in ein paar Serpentinen hinab Tal der Todra mit riesigen Palmenhainen.
Da es inzwischen später Nachmittag ist, biegen wir noch vor der eigentlichen Stadt Tinerhir von der Hauptstrasse ab auf eine Nebenstrasse, die uns den Fluss entlang in die Berge und zu unserem Übernachtungsziel am Eingang der Schlucht führen soll. Das Panorama entlang der Oase ist grandios, unten das dichte Grün der Palmen und darüber in die roten Felsen hineingebaut immer wieder alte, zum Teil verfallene Lehmburgen. Nach 9 km erreichen wir unser Ziel, suchen uns einen Schattenplatz, bestellen uns eine Tajine zum Abendessen und machen noch einen kleinen Abendrundgang zu Erkundung der Umgebung.
Am nächsten Tag gehts erst einmal zurück in die Stadt, denn es ist Markttag und das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Wo der Markt stattfinden ist leicht zu finden, denn die Verkehrsdichte nimmt kurz davor dramatisch zu und so suchen wir uns einen Platz fürs Auto und ziehen los ins Marktgetümmel. Am Eingang der großen ummauerten Freifläche haben ein paar Hufschmiede ihre Stände aufgebaut. die Meisten kommen zwar inzwischen mit motorisierten Fahrzeugen, aber es gibt doch auch noch einige Pferde, Maultiere und Esel und sie haben offenbar gut zu tun. Auf dem Marktgelände wird alles gehandelt, was die Menschen auf den Dörfern so gebrauchen können, von Ost und Gemüse bis zur Polstergarnitur.
Wir schlendern durch die Marktstände,werden ab und zu freundlich gegrüßt, aber ansonsten eher verstohlen neugierig angeschaut. Viele Touristen haben sich hier offenbar noch nicht sehen lassen, obwohl die Stadt als Zugang zur Todraschlucht ein Touristenzentrum ist.
Gesättigt mit Marktbildern schauen wir uns noch etwas in der Stadt um und frischen unsere Vorräte in einem kleinen Supermarkt mit den Dingen auf, auf die wir nicht gerne verzichten, die es in den kleinen Kramläden überall an den Straßen aber nicht gibt.
Heute geht es dann nach einem gemütlichen Frühstück in die Todraschlucht. Zu früh loszufahren lohnt nicht, denn die Sonne schafft es erst spät am Vormittag in die Tiefen der Schlucht. Bereits nach ein paar km haben wir die engste Stelle erreicht und man meint, hier kann es wirklich nicht mehr weiter gehen. Die Felswände sind senkrecht mehrere 100 m hoch und rücken mehrmals auf etwas 10 m zusammen. Die Straße verläuft praktisch im Flussbett, denn mehr Platz ist nicht da.
Zwischen den vielleicht 1km auseinander liegenden Engstellen windet sich die Schlucht mehrmals und wird etwas breiter, sodass genug Platz für ein kleines an die Felsen geklebtes Hotel ist und man sogar einen Wendeplatz für die Touristenbusse einrichten konnte. Der gesamte Abschnitt der Schlucht zwischen den beiden Engstellen ist ein einziger Souvenirmarkt. Wider Erwarten bleiben wir aber völlig unbehelligt als wir anhalten und aussteigen. Offenbar gibt es lohnendere Kundschaft.
Auch auf der weiteren Fahrt durch die Schlucht bis nach Tamtatouchte ist nichts zu sehen von aufdringlichen Kindern und lästigen Händlern, wie in vielen Reisebüchern beschrieben. Im Tamtatouchte landen wir ungeplant auf einem kleinen Berbermarkt, der hier erst vor ein paar Wochen neu eingerichtet wurde, damit die Menschen zum Einkaufen nicht mehr die 25km durch die Schlucht bis Tinerhir fahren müssen.
Hassain ein Berber, der ganz gut englisch spricht und auf dem Markt frisch gepressten Orangensaft verkauft, begleitet uns über den Markt und erzählt uns darüber. Auch er hat angefangen neben seinem Haus eine kleines Camp für Touristen aufzubauen, sozusagen noch mit Familienanschluss. Wir wollen nicht in Tamtatouchte bleiben, obwohl es hier oben mehrere Campingmöglichkeiten gibt. Da wir den Rückweg durch die Schlucht erst im späten Nachmittagslicht antreten wollen, gönnen wir uns ein leckeres Mittagessen als einzige Gäste in einem kleinen Lokal im Ort.
Dann gehts noch einmal in die Schlucht hinunter. Man kann hier nur Schritttempo fahren, denn der Fluss hat die Straße arg ramponiert und teilweise fährt man eher in Flussbett. Aber es ist praktisch kein Verkehr und so kann auch der Fahrer die Landschaft genießen. Noch einmal Halt in der Engstelle im Abendlicht, und auf einmal wird es regelrecht voll, denn 2 Reisebussen sind gekommen und haben ihre Passagiere in der Engstelle ausgesetzt. So haben die Händler ihr Abendgeschäft, wir sitzen im Flußbett und schauen zu und Merlin planscht im kalten Quellwasser, das hier in der Engstelle dem Flusslauf um diese Jahreszeit wenigstens etwas Wasser beschert.
Manfred